Im Marstall vervollständigt Robert Borgmann mit seiner rätselhaften Installation »Athena« die Orestie-Trilogie des Staatsschauspiels.

Athena

Die Frage nach dem Warum

athena

Vernebeltes Familienessen im Hause Agamemnon (v.l. Juliane Köhler, Thiemo Strutzenberger, Felicia Chin-Malenski, Max Mayer) | © Sandra Then

Es ist vollbracht. Das Bayerische Staatsschauspiel hat nun alle drei Teile der 2500 Jahre alten »Orestie« von Aischylos im Spielplan: Drei Inszenierungen verschiedener Regisseurinnen. Mit Sartres »Die Fliegen« holte Elsa-Sophie Jach den zweiten Teil der »Orestie« ins Cuvilliés, Ulrich Rasche setzte im Resi den ersten Teil »Agamemnon« auf seine Drehbühne. Zum Unhappy End versenkt Robert Borgmann im Marstall den Schlussteil »Die Eumeniden« mit seiner musiktheatralen Installation »Athena« kryptisch im Wasserbad. Opernhaft in drei Stunden mit zwei Pausen, dekonstruiert bis zur Unverständlichkeit mit quälender Langsamkeit und endlosen Wiederholungen.

In den »Eumeniden« geht’s um Befriedung und die Ablösung des Blutrache-Gesetzes durch demokratische Rechtsprechung. König Agamemnon hat die Tochter Iphigenie den Göttern geopfert, um mit der Flotte in den Trojanischen Krieg aufzubrechen. Nach Trojas Fall wird der Heimkehrer deshalb von seiner Frau Klytämnestra erschlagen – samt seiner Kriegsbeute Kassandra. Sohn Orest tötet auf Geheiß Apollos die Mutter und wird nun von den archaischen Rachegöttinnen Erynien verfolgt. Apollo holt für seinen Schützling die weise Athene als Richterin, die fühlt sich überfordert und beruft ein Bürgergericht. So der Mythos von der Einführung der Demokratie in Griechenland.

Robert Borgmann (Regie, Raum und Musik live am Tonpult) flutet im Marstall ein düsteres Wasserbecken, überwölbt von zwei Leuchtbögen. Auf einer Plattform sitzt, kniet steht stroboskop-beflackert in Athenes Tempel Thiemo Strutzenberger. Verzweifelt fleht Orest um Rettung und durchlebt die schmerzhafte Vorgeschichte – samt Wechselreden mit Elektra. Der lange Zeitlupen-Monolog des Verfolgten ist schauspielerische Schwerstarbeit. Im zweiten Teil steht Max Mayer als silbermähnige Athene in beschriftetem Hauttrikot (Kostüme: Birgit Bungum) über dem Wasser, auf dem Orest im Schlauchboot treibt. In einer Kammer mit Elch(!)geweihen an den Wänden sitzen die drei Erynien in dunklen Kapuzenanoraks. Manchmal fingern sie hektisch auf Smartphones herum, damit man ihre Gesichter sieht. Ihre Chorführerin (Juliane Köhler) tritt als Klytämnestras Schatten hervor und fordert Rache. Die Vermischung der Figuren sorgt durchgehend für Verwirrung der Zuschauer kann nichts zuordnen. Orest wälzt sich im Wasser, die Erynien tragen Kerzen herum, Athene verspricht ihnen für die Wandlung zu gütigen Eumeniden eine göttliche Seniorenresidenz. Alles ist ritualisiert, überdehnt, und warum ist Athene schließlich an Bauch und Händen gelb beschmiert?

In dasselbe Gelb getaucht ist dann Iphigenie (Franziska Hackl), bäuchlings als Opfer in Gurten hängend, ständig rauf- und runtergezogen. Die Atriden-Familie sitzt am Esstisch: Klytämnestra (Juliane Köhler mit Tüllhaube, halb Nonne, halb Burgfräulein) erklärt ihre Sicht: »So denke ich. Ich, eine Frau.« Agamemnon (Max Mayer) in Uniform bricht öfter in elefantöses Posaunen-Getröte aus, schreit: »Ich bin ein Mensch, ich habe Angst.« Die anderen brüllen gern mit. Tochter Elektra (Felicia Chin-Malenski) im Trachtengewand mit Magd-Kopftuch krabbelt unter den Tisch und tanzt mit Orest einen Kindertanz, verliert sich in einer englischen »Hate-Heart«-Rapsuada. Die Sequenzen wiederholen sich bis zum Überdruss, das Wasser färbt sich rot, der Soundtrack schwillt auf und ab. Dann spukt noch Kassandra herum, ihr letztes Wort »Und die Demokratie?« bleibt als Frage hängen. So wie die ganze überambitionierte Installation die Rätselfrage »Warum?« stellt. ||

ATHENA
Marstall | 4., 5. April | 20 Uhr (So 19 Uhr) | Tickets: 089 21851940

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