Das Theater im Juni bietet die Rückkehr eines farbenfrohen Festivals, Stadterkundungen, Knut Hamsun kompakt, Schiffbruch und Seemannscharme. Die kompletten Kritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

Theater im Juni

Sailors

sailors

Stimmung in der Seemannskneipe | © Heike Kraemer/GOP

Wie Joel Malkoff bei seinem Tanz auf dem Seil fast nebenbei die Tücken des Balancehaltens selbst zum Thema macht, lässt einem vor Spannung den Atem stocken. Und die charismatische Alexanne Plouffe, deren Traum es ist, sieben Sprachen zu lernen, möchte man auf der Stelle zum Bier treffen. Auch wenn die Tatsache, dass sie ihren Unterkörper scheinbar nach Belieben von der Pole-Stange entfernen kann, ungleich einschüchternder ist als das ihr anhängende Narrativ der »Schwarzen Witwe«, deren Geliebte allesamt auf See geblieben sind. (Sabine Leucht)

SAILORS
GOP Varieté-Theater | Maximilianstr. 47 | bis 3. Juli
Mi bis Fr, 20 Uhr, Sa 17.30 und 21 Uhr (nicht 25. Juni), So 14 und 18 Uhr | Tickets: 089 210288444

 

Kopfkino / Die Nacht kurz vor den Wäldern

theater im juni

Benno Heisel und Henriette Fridoline Schmidt machen Kopfkino | © Martin Kießling

Während der Corona-Lockdowns überlegten die Theater sich einiges, um ihr Publikum weiter mit Kultur beliefern zu können. Ein Ergebnis waren die Kopfkino-Podcasts des Theater HochX. Schauspielerin Henriette Fridoline Schmidt lieh ihre Stimme den Text gewordenen Stadtspaziergängen verschiedener Autor*innen. Soundtüftler Benno Heisel reicherte sie musikalisch und geräuschetechnisch an. Nun aber machen Schmidt und Heisel sich mit Publikum in echt auf den Weg durch die Stadt. […] In der nächsten Folge des Kopfkino live, »Au!« von Neutro, Rinus Silzle und Denijen Paulievi› werden Schmidt und Heisel uns inder Regie von Franziska Angerer durchs gleichnamige Viertel Au führen, in dem es nicht mehr wie 1873 Ameisensammler, Makkaronimacher und Köhler gibt, sondern Luxussanierung und Hipsterbars. Gedankengängen lauschen kann man auch in einer Produktion des Residenztheaters, das es ebenfalls auf die Straße zieht. […] »Die Nacht kurz vor den Wäldern« ist eine Textflut ohne Absatz, ohne Pause. Sie handelt vor allem von Fremdheit. Und beim Wiederlesen liest man Verschwörungstheoretisches ganz anders als vor Jahrzehnten. (Christiane Wechselberger)

KOPFKINO: AU!
HochX | Startpunkt: Spielplatz im Kronepark
24.–26. Juni | 17 und 19 Uhr | Tickets: 089 90155102

DIE NACHT KURZ VOR DEN WÄLDERN
Marstall | 9., 17., 23. Juni, 11., 19. Juli
19 Uhr | Tickets: 089 21851940

 

Heilige Schrift I

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Lotz’ Alter Egos (Clara Sindel, Edmund Telgenkämper) © Maurice Korbel

»Heilige Schrift I« will den Steinbruch und nicht das sorgfältig behauene Wort. Es ist ein literarischer Lebensabschnittsbegleiter, mit dem man schmunzeln und leise (ver)zweifeln kann, den der Regisseur Falk Richter nun mit Nachdruck versehen und auf die Bühne transferiert hat. […] Die Anlage des Abends, der erst für die letzte Stunde in eine klassische Zuschauer-Bühnen-Konfrontation mündet, ist komplex, der Aufwand riesig – und manches macht Spaß. Wäre da nicht die falsche Dringlichkeit, die die flirrende gegenwartsenzyklopädische Textmontage dicht an die Grenze zum »Schriftsteller-Ernsthaftigkeits-Sound« bringt, den Wolfram Lotz gerade vermeiden wollte. (Sabine Leucht)

HEILIGE SCHRIFT I
Kammerspiele – Therese-Giehse-Halle
9., 24. Juni | 20 Uhr | 21., 22. Juni
19.30 Uhr | 25., 26. Juni | 20.30 Uhr | Tickets: 089 23396600

 

Spiel des Lebens

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Objekt von Karenos Begierde: Teresita (Liliane Amuat) | © Sandra Then

»Es geht hier nicht um Toleranz, sondern um die Wahrheit!« Entrüstet weist Ivar Kareno das Ansinnen von sich, die rechtsradikalen Thesen seines Manuskriptes zu revidieren, damit die Uni es als Dissertation annimmt und ein Verlag es druckt. Um die Unversöhnlichkeit der Meinungen kreist die Kareno-Trilogie des Norwegers Knut Hamsun, entstanden 1893 bis 1898. Die Dramen »An des Reiches Pforten«, »Spiel des Lebens« und »Abendröte« porträtieren den Protagonisten mit 30, 40 und 50 Jahren als verblendeten Fanatiker, der sein privates Glück verspielt, mit seinem Lebenswerk nie fertig wird und am Ende seine Gesinnung verrät. Im Residenztheater hat Regisseur Stephan Kimmig die drei Stücke auf einen dreiaktigen und dreistündigen Theaterabend eingekürzt. (Gabriella Lorenz)

SPIEL DES LEBENS
Residenztheater | 5., 16. Juni | 18.30 Uhr
16. Juli | 18 Uhr | 27. Juli | 19 Uhr | Tickets: 089 21851940

 

Der Menschenfeind (Le Misanthrope)

menschenfeind

Celimène (Anne Stein) und Alceste (Janek Maudrich) © Arno Declair

Mit seinem durchweg engagierten jungen Ensemble und den schnellen Schnitten einer Showdramaturgie stürzt Hausregisseur Philipp Arnold sich in die Vivisektion dieser atemlosen Spaßgesellschaft, die zwischen Selbstgefälligkeit und gnadenloser Häme keinen Halt findet. Hier gibt es den kompletten Artikel von Silvia Stammen.

DER MENSCHENFEIND (LE MISANTHROPE)
Volkstheater | Tumblingerstr. 29 | 13., 16. Juni, 12., 14. Juli | 19.30 Uhr | Tickets: 089 5234655

 

Der Schiffbruch der Fregatte Medusa

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Auf sinkendem Floß: Hanna Scheibe, Carolin Conrad, Lukas Rüppel (v.l.) © Birgit Hupfeld

Am 2. Juli 1816 lief die Fregatte Medusa vor der westafrikanischen Küste auf die Arguin-Sandbank auf und zerbrach. Sie war auf dem Weg von Frankreich nach Senegal, in eine neue Welt, die es zu kolonisieren galt. Da nicht genügend Rettungsboote an Bord waren, zimmerte man ein Floß für 150 Menschen, das von den Booten an Land gezogen werden sollte. Kurz nach der Evakuierung aber wurde das Seil gekappt, das Floß trieb zwölf Tage im Meer, bevor es entdeckt wurde. Nur 15 Menschen überlebten, zwei davon, der Wundarzt Savigny und der Ingenieur Corréard, hielten ihre Erlebnisse in einem Bericht fest: »Der Schiffbruch der Fregatte Medusa«. Es ist eine Geschichte von menschlichem Versagen, Meuterei und Kannibalismus. […] Da ist sie dann doch, die Zukunft, sogar die Utopie. Carolin Conrad, Vincent Glander, Niklas Mitteregger, Lukas Rüppel, Hanna Scheibe, Myriam Schröder und Simon Zagermann spielen sich auf hohem Niveau durch diesen Parforceritt, man schaut ihnen gerne zu bei ihren abstrusen Rechtfertigungsversuchen und gedanklichen Kapriolen. Das alles ist sehr unterhaltsam. Der Dramatik der Situation aber, sowohl der damaligen als auch der heutigen, wird dieser überdrehte Abend nicht wirklich gerecht. (Anne Fritsch)

DER SCHIFFBRUCH DER FREGATTE MEDUSA
Marstall | 14., 29. Juni, 17., 25. Juli | 20 Uhr (So 19 Uhr)
Tickets: 089 21851940

 

Bitches

bitches

Influencerinnen bei der Arbeit: Massiamy Diaby und Linda Blümchen als Funke und Cleo | © China Hobson

Massiamy Diaby und Linda Blümchen fahren schon nach Sekunden die Klauen nacheinander aus. Während Funke (schwarz) es lustig findet, wie Cleo (weiß) twerkt und Cleos »Warum bist du nicht mal die, die nicht tanzen kann?« mit »cause I’m black« kontert, bekommt Cleo für die Frage »Hast du deine Tage?« gleich die Sexismus-Keule übergebraten. Können Schwarze rassistisch und Frauen sexistisch sein? Oder gibt es Ismen nur auf Einbahnstraßen das Machtgefälle hinauf? Wer darf was sagen? Und wer bestimmt es? Das sind Fragen, die die Inszenierung stellt. […] Diskussionen danach sind hier beinahe Pflicht. (Sabine Leucht)

BITCHES
Residenztheater – Zur Schönen Aussicht | 23., 24. Juni, 15., 19., 20. Juli | 11 Uhr | 28. Juni | 20 Uhr | Tickets: 089 21851940

 

Radikal jung

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Wilde Kerle tummeln sich in Elias Adams »We are in the army now« | © Pinelopi Gerasimou

Das Festival Radikal jung hat sich seit 2005 zu einem Highlight der Münchner Theaterwelt entwickelt. Nach zwei Jahren pandemiebedingten Ausfalls findet das Festival für junge Regie nun wieder statt, ein bisschen später im Jahr als gewohnt, dafür so international wie noch nie. Elf Produktionen aus Athen, Kiew, London, Paris, Deutschland und aus dem Netz zeigen dem Münchner Publikum ihre Sicht aufs Theatermachen heute. Und die ist antirassistisch, feministisch und queer, betonen die Festivalmacher. Jens Hillje nennt es das »Fest nach der Pest«, was unwillkürlich an die Passionsspiele in Oberammergau denken lässt, die Volkstheater-Chef Christian Stückl inszeniert. Der freut sich, dass sich aus Radikal jung immer wieder weitergehende Arbeitsbeziehungen entwickeln. Was möglicherweise daran liegt, dass dieses Festival, wie Florian Fischer, der Neue im Team, sagt, die Künstler nicht nur einmal ans Licht zerrt, sondern ihre Entwicklung weiterverfolgt. Darin liegt für ihn auch die Bedeutung von Radikal jung in der Theaterlandschaft. (Christiane Wechselberger)

RADIKAL JUNG
Volkstheater | Tumblingerstr. 29
24. Juni bis 2. Juli | Tickets: 089 5234655

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