Zum Abschied von GOP-Mastermind Werner Buss wird es mit »Wet – The Show« richtig nass.
Wet – The Show
Plitsch Platsch!
Ohne den vermutlich größten jugendlichen GOP-Fan an meiner Seite hier zu sitzen, fühlt sich schon gleich nicht richtig an. Doch Corona macht’s nötig. Und so richtig schief geht an dieser renommierten Werkstattbühne für Artistik und mehr ja selten was. Und doch steht »Wet – The Show«, das seit 2016 von rund 1,5 Millionen Menschen von Sidney bis Mexiko bejubelte erfolgreichste deutsche Varietéprogramm, sich anfangs ein wenig selbst im Weg. Die sechs Badewannen auf der Bühne machen den Raum eng und ebnen die Unterschiede zwischen den Nummern ein, die in ihnen und um sie herum gezeigt werden. Zehen, Füße, Beine, Hintern und Quietscheentchen ragen heraus und verschwinden wieder, und allein Signatur-Bewegungen (das Bein mal kurz hinter den Kopf geklemmt) verraten, welche akrobatische Profession da im Bottich steckt.
Sowohl das titelgebende nasse Element wie die Nummern nehmen vergleichsweise spät Fahrt auf, aber dann so richtig. Und zuletzt versteht man gut, warum Werner Buss, GOP-Mastermind und Kreativdirektor seit 28 Jahren, sich die generalsanierte Show von Markus Pabst und Maximilian Rambaek zum Abschied gewünscht hat.
Ilja Smyslov, der in Jeans, Sneakers und bravem Hemd den Jongleur von nebenan gibt, lässt seine Bouncing Balls zu wilden Fontänen zusammenwachsen, die ihm vom Boden seiner Wanne entgegenschnellen. Und auch die Kontorsions- und Aireal-Hoop-Spezialistin Katrin Padovani und die erst 17-jährige Michelle Casartelli, die sich mit ihren gleichzeitig auf Händen und Füßen rotierenden kleinen Teppichen sogar in die Luft ziehen lässt, deuten an, was in dem quirligen Ensemble steckt, das mit Mopp und (rein männlichem) Handtuchballett auch das Komödiantische nicht zu kurz kommen lässt.
Aber so richtig fetzen dann die »Ikarischen Spiele« des Duo Fabulous, in denen der Untermann den leichteren »Flieger« mit den Füßen in die Luft katapultiert, dessen Körperspannung in diesem Fall verblüffend viel Ähnlichkeit mit Gummi hat. Und dann wird es wet,und zwar nicht zu knapp. Wenn der Wahlberliner Andalousi seine kompliziert in sich verschraubten Handstände auf dem Badewannenrand nur mit halsbrecherischen Sprüngen in den Bottich unterbricht, gießt es vom Bühnenhimmel und plitscht es bei jedem platschenden Eintauchen, sodass man die in der ersten Reihe Sitzenden doch fast nicht um die freie Sicht auf die Muskeln des Equilibristen beneidet. Und die von Daniel Stern, der seine Strapaten- wie eine Bondage-Nummer anlegt, sieht man auch von fern ganz gut. Die in der größten Wanne thronende litauische Sopranistin Lina Navakaite, die eben noch den Conny Froboess-Schlager »Pack die Badehose ein« an die Melodielinien von Händel, Schumann, Schönberg, Mozart und »Let it be« von den Beatles angelehnt hatte, verlässt für Stern sogar ihre Divenhaltung, legt ihre Stimme tiefer und röhrt »I Put a Spell on You«.
In dem ungewöhnlichen Mix aus klassischem Gesang, Wasser, Comedy und Akrobatik liegt ohne Zweifel der besondere Reiz dieses Abends. Und ein kleines Märchen über den Jungen aus dem Publikum, der unversehens zum Bühnenstar wird, erzählt er obendrein. Stimmt natürlich nicht – und in gewisser Weise doch. Denn Jasper Deininger kann schauen wie das Kind im Dreck und am Ende mit seinem geschmeidigen Tanz am Trapez den ganzen Saal rocken. Und bei »Wet« wie im GOP ist er wirklich ganz neu. ||
WET – THE SHOW
GOP Varieté-Theater | Maximilianstr. 47
bis 13. März | Di bis Do, 20 Uhr, Fr/Sa 17.30 und 21 Uhr (5./6. Febr. nur 17.30 Uhr), So 14.30 und 18.30 Uhr | Tickets: 089 210288444
Weitere Theaterkritiken finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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