Gertrud Pigors »Tiere im Hotel« stemmen sich gegen das sinnlose Streben nach Ordnung.

Tiere im Hotel

Kaninchen am Rande des Nervenzusammenbruchs

tiere im hotel

»Tiere im Hotel« (v.l. Helene Schmitt, Janosch Fries, Simone Oswald) © Judith Buss

Es ist ein Kinderstück. Und es ist ein Stück über Tiere. Und was für eins! Kaninchen-Page hat seinen ersten Arbeitstag im Tierhotel. Ausgerechnet ein »VIP« hat sich angekündigt, ein»Wichtigbär«. Der toleriert keine Fehler und will in Ruhe seinen Winterschlaf halten. Dafür hat er gleich das ganze Hotel für sich reserviert, um ja nicht gestört zu werden. Der Hoteldirektor-Hase ahnt Böses und hat sich sicherheitshalber abgesetzt, grüßt nur per Videoanruf vom fernen Strand. Soweit die Grundsituation in Gertrud Pigors Stück »Tiere im Hotel«, das Marcelo Diaz nun an der Schauburg für Kinder ab sieben Jahren inszeniert hat. Der Page muss den Laden also alleine managen, obwohl das doch sein erster Arbeitstag ist und er zwar die Hotelfachschule besucht hat, aber eben nur ein unerfahrenes Kaninchen ist. Überforderung und Chaos sind quasi vorprogrammiert. Die Hauptregel an diesem Abend ist weniger das viel zitierte »der Gast ist König«, sondern eher Murphys Gesetz: »Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.«

Das ist im Grunde schon klar, als es losgeht. Macht aber gar nichts. Denn obwohl noch in der Woche vor der Premiere coronabedingt zwei Rollen (zeitweise) umbesetzt werden mussten, ging dieselbe derart tempound einfallsreich über die Bühne, dass es eine wahre Freude war. Allein Helene Schmitt ist eine Wucht. Wie sie den Pagen spielt! Nur die etwas zu großen Ohren deuten an, dass sie ein Tier ist. Ansonsten läuft alles über Körpersprache. Man erkennt das Kaninchen in ihr, wenn sie vor Nervosität die Nase kräuselt oder hie und da in ein kleines Hoppeln verfällt, wenn sie in der einen Sekunde übermütig die selbst verordnete Strenge vergisst und im nächsten ängstlich zurückzuckt. Nachdem erst nur der Pagenhut schief saß, kommen kurz darauf der Wanderfalke als Vertreter einer übergeordneten Kontrollbürokratie (»Es muss alles seine Ordner haben!«) und – noch schlimmer – die drei Waschbären, die von Ruhe und Ordnung so gar nichts halten, umso mehr aber von gemütlichen Sitzgruppen und Futterautomaten in Hotelfoyers. Kaninchen-Page ist am Rotieren, vor allem weil da noch Henry Hühnchen ist: das Küken, das während des Winterschlafs zum »Bärenfrühstück« heranwachsen soll (so zumindest der Plan des Bären). Immer wieder droht der Bär ob des Tumults aufzuwachen, immer wieder müssen Beruhigungslieder angestimmt werden.

Aus dem Erholungs- wird ein Slapstickparadies, aus vermeintlichen Gewissheiten ein unsicheres »glaub ich«, aus Eingeübtem wird Chaos. Regisseur Marcelo Diaz beweist wieder einmal sein Talent für komische Situationen und präzises Timing. David Campling (bei der Premiere statt David Benito Garcia am Start), Janosch Fries, Simone Oswald, Helena May Heber (statt Lucia Schierenbeck), Michael Schröder und eben Helene Schmitt brillieren als komische Tiertypen und lassen mal so richtig die Sau – nein, den Bären – raus. Dieses Stück ist eine großartige Farce über das völlig sinnlose Streben nach Ordnung und Einordnung. Und über die große Lust am Regelbruch. Im Grunde ist diese Inszenierung nicht eine nur für Kinder. Und dieses Stück gewiss nicht nur eines über Tiere. ||

TIERE IM HOTEL
Schauburg | 17. Dez. | 18 Uhr | 19.–22. Dez.
10 Uhr | 23. Dez. | 9.30 Uhr | Tickets: 089 23337155

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