Hier der zweite Teil unserer Filmübersicht. Im aktuellen Heft gibt es natürlich noch mehr – noch überall als Printausgabe oder in unserem Kiosk als MF Digital.

Song to Song

Ryan Gosling und Rooney Mara in »Song to Song« © 2017 Broad Green Pictures

von Matthias Pfeiffer
Es sollte klar sein, dass »Song to Song« kein normaler Musikfilm ist. Eher ein Film, der in seinen gelungenen Momenten selbst wie Musik wirkt. Wer die letzten Werke von Terrence Malick kennt, weiß, wie das aussieht. Im Zentrum stehen die Musiker BV (Ryan Gosling) und Faye (Rooney Mara), ihr Produzent Cook (Michael Fassbender) und ihre Suche nach Erfolg, Zärtlichkeit, Exzess und Ekstase. BV und Faye werden schließlich ein Paar, deren Liebe jedoch zerbricht, als sie eine Affäre mit Cook beginnt, um ihrer Karriere auf die Sprünge zu helfen. Und so geht die Suche für jeden alleine weiter.

Malick erzählt diese Geschichte auf seine gewohnt hypnotische Art: Das Zusammenspiel von Schnitt, Kamera und Musikerzeugt einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Zusammen mit der anekdotenhaften Erzählweise spiegelt der Film das Innenleben seiner Protagonisten besser wider, als es eine stringente Handlung je könnte. Doch dann passiert es wieder: Malick ertränkt den Zuschauer regelrecht in seinen Bildern, die zum reinen Pomp verkommen. Ebenfalls nur Schauwert scheint eine lesbische Affäre Fayes zu sein, die zur Handlung überhaupt nichts beiträgt. Auch die Anekdoten werden langsam zum Mischmasch, aus dem zwischendrin mal Patti Smith und Iggy Pop herausgucken. Das alles endet in der Kalenderweisheit, dass ein einfaches Leben doch das beste sei. Bei »Song to Song« steht leideralso wieder einmal der Stil über der Substanz. Es täte Terrence Malick gut, selbst auf die Suche zu gehen – vielleicht nacheinem neuen Konzept. ||

SONG TO SONG
USA 2016 | Regie: Terrence Malick | Mit: Ryan Gosling, Rooney Mara, Michael Fassbender u. a. | 128 Minuten
Kinostart: 25. Mai
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Die Reste meines Lebens

Luise Heyer und Christoph Letkowski in »Die Reste meines Lebens« © Camino Filmverleih

von Thomas Lassonczyk
Immer wieder schaffen es Filme, die auf dem Festival um den Max-Ophüls-Preis gezeigt wurden, auch regulär ins Kino. So auch »Die Reste meines Lebens«, für den Autor und Regisseur Jens Wischnewski in Saarbrücken mit dem Fritz-Raff-Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde. Sein Drama dreht sich mit großer Leichtigkeit, viel sanft-absurdem Humor und tieftrauriger Tragik um die heiklen Themen Tod, Trauer und das Leben »danach«. Im Mittelpunkt: Schimon, ein durch und durch positiv denkender Mensch, der eines Tages seine Frau und das Kind, das sie erwartet, durch einen furchtbaren Unfall verliert. Nur zwei Wochen später lernt er Milena kennen, die ihm an Lebenslust in nichts nachsteht. Während Schimons (Ex-)Schwiegereltern sein allzu frühes (Balzverhalten als pietätlos verachten, lässt sich der junge Mann weiter von seinen Gefühlen treiben und macht Milena sogar einen Heiratsantrag.

Doch dann wird er immer wieder von Bildern aus der Vergangenheit eingeholt, er begreift, die Verarbeitung seines Schicksalsschlags hat gerade erst begonnen – auch wenn sein weiser Opa einmal gesagt hat: »Der Tod ist nichts Schlimmes, nur der Beginn von etwas Neuem.« Wischnewskis bemerkenswerter Film besticht durch herausragende darstellerische Leistungen des Ensembles um Christoph Letkowski und Luise Heyer, deren Gesichter man im deutschen Kino leider viel zu selten sieht. Dazu begeistert der Filmemacher mit einem ausgefeilten Drehbuch voller erfrischender gefühlsechter Dialoge und einem großartigen Soundtrack, der stets um ein stimulierendes Swing-Thema kreist. Und schließlich entsteht durch den wohldosierten Einsatz von Flashbacks das Bild eines Menschen, der sich aller Unbill des Lebens zum Trotz nicht unterkriegen lässt. ||

DIE RESTE MEINES LEBENS
Deutschland 2016 | Regie: Jens Wischnewski
Mit: Christoph Letkowski, Luise Heyer, Karoline Bär
108 Minuten | Kinostart: 25. Mai
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Nocturama

Hamza Meziani in Bertrand Bonellos »Nocturama«| © Carole Bethuel

von Simon Hauck
»Nocturama« verstört wie bisher kein zweiter Film dieses Jahres. Das neueste Husarenstück Bertrand Bonellos (»Saint Laurent« / »Le pornographe«) atmet den Geist der äußerst unruhigen französischen Gegenwart. Ob im saturierten Luxus- oder im rauen Banlieue-Milieu; ob in der täglichen Angst vor dem
nächsten Anschlag oder in den geheimen Netzwerken eines immer undurchschaubareren Politikbetriebs der Eliten; ob im urbanen Hipstertum oder in den illegalen Unterwelten der Obdachlosen und gesellschaftlich Abgehängten: Der aktuelle Bruch zwischen den radikal verschiedenen Lebenswelten innerhalb der einstmals so stolzen »Grande Nation« wird filmisch derzeit nirgendwo deutlicher herausgearbeitet als bei Bonello.

Denn er lässt sie einfach los: die Bestie namens Terror. Mitten in Paris, mitten hinein in das historische Herzzentrum der Menschenrechte! Die zweiaktige, geschickt ineinander verschachtelte Tour de force kommt zuerst weitestgehend ohne Dialoge aus und berauscht dafür umso mehr im zweiten Teil mit einem der besten Soundtracks der vergangenen Jahre, den Bonello –ausgebildeter Musiker – ein weiteres Mal selbst komponierthat. Es ist ein Bilderfest der stummen Blicke aufmüpfiger Jugendlicher, die wie ferngesteuerte Staatsfeinde wirken, ein unausweichlich tödliches Spiel unzähliger Möglichkeiten, das der französische Kritikerliebling von der ersten Einstellung an zelebriert: Was fliegt als Nächstes in die Luft, wer kann diesen Wahnsinn überhaupt noch durchstehen? Im Ergebnis ist »Nocturama« das wildeste französische Kinowunder seit Leos Carax’ »Holy Motors« (2012): ein Fest für Cineasten. ||

NOCTURAMA
Frankreich, Deutschland, Belgien 2016 | Regie: Bertrand Bonello
Mit: Finnegan Oldfield, Vincent Rottiers, Hamza Meziani u. a.
130 Minuten | Seit 18. Mai im Kino
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