Das Filmschoolfest Munich und das Regensburger Transit Filmfest sind zwei Publikumsfestivals des jungen, diversen Kinos. Ein Blick in die Programme beider Festivals, die im November stattfinden.
Filmschoolfest Munich / Regensburger Transit Filmfest
Inspiration gewinnt
Vielleicht liegt es an der Jahreszeit. Ausgerechnet im November finden unzählige Filmfeste in Bayern statt. Allein in München gibt es die Griechische Filmwoche, die Lateinamerikanischen Filmtage, das Rumänische Filmfestival und die BiMovie, eine Frauenfilmreihe des Vereins Filmstadt München. Das Kino Asyl feiert sein Zehnjähriges und öffnet den filmischen Blick auf die Herkunft von Geflüchteten, die Judoks zeigen Dokumentationen für ein junges Publikum. Der Kinosaal als Zufluchtsort vor dem grauen Herbst.
Hinzu kommen zwei Festivals, die sich den jungen Filmschaffenden und ihren Perspektiven widmen. Zum einen: Das »Filmschoolfest Munich« vom 15. bis zum 23. November. Zum anderen: Das achttägige Transit Filmfest, das ab dem 6. November die Regensburger Altstadtkinos bespielt. Letzteres wird ehrenamtlich von einem jungen Team organisiert, das aus Studierenden und Medienwissenschaftlern besteht. Die vielfältigen Interessen der Macherinnen formen ein Programm, das nicht nur Filme umfasst, sondern auch Konzerte, Gespräche und eine Festivalparty. Das Filmschoolfest Munich hingegen öffnet sich für Arbeiten des filmischen Nachwuchses. Es werden sechzig Kurzfilme von Filmstudenten aus 28 Ländern gezeigt, viele davon zum ersten Mal im Kino. Auch dort ergänzen Gesprächsrunden und Workshops den cineastischen Rahmen.
Chrissy Grundl ist die Leiterin des Transit Filmfests, der Austausch mit jungen Menschen ist für sie essenziell. »Da investieren wir viel«, sagt sie. »In einer Zeit, in der sich aus bekannten Gründen Verzweiflung und Resignation Bahn bricht, sehe ich es ein bisschen als unseren Auftrag, so etwas wie Selbstwirksamkeit zu vermitteln.« Einst hieß das Festival noch Heimspiel, zeigte vor allem deutsche Werke renommierter Regisseure. 2019 orientierte man sich um, wurde diverser, wählte einen neuen Namen. Anfangs sollte er für diese interne Veränderung stehen, aber inzwischen spiegelt er auch die frischen Perspektiven der gezeigten Filme wider. »Nach dem Film steigt im Idealfall eine Person aus dem Sessel, die ein kleines bisschen anders ist als diejenige, die sich hineingesetzt hat«, sagt Grundl. »Das ist der Transit, den wir anstreben.«
Und auch das Filmschoolfest Munich strebt nach Neuem. Seit mehr als 40 Jahren werden dort Werke von Filmstudent*innen gezeigt und prämiert, die Veranstaltung hat sich zu einem der wichtigsten Treffpunkte der jungen Filmszene entwickelt. Julia Weigl und Christoph Gröner sind das künstlerische Leitungsduo des Festivals, das zum ersten Mal unter dem Motto »Festival of Future Storytellers« steht. Für Gröner drückt es aus, dass die gezeigten Kurzfilme ästhetische und inhaltliche Wege in die Zukunft weisen. »Wir wollen erörtern, wie das Erzählen von heute und morgen aussehen kann«, sagt seine Kollegin Weigl. »Welche Formen es annehmen kann und welche Themen uns beschäftigen.«
Dazu sprechen sie mit jungen Talenten, organisieren Talks und Workshops. Mal geht es um technische, mal um kreative Themen. Der Drehbuchautor Moritz Binder, der die Serie »Neue Geschichten vom Pumuckl« und den Spielfilm »September 5« über das Olympiaattentat in München mitschrieb, berichtet etwa von kreativen Rückschlägen und wie man an ihnen wachsen kann. Ein Panel, das sich aus den Macherinnen und Machern verschiedener Filmfestivals zusammensetzt, diskutiert über die besten Vertriebswege für Kurzfilme. Und Regisseur Hans Steinbichler, der zuletzt Robert Seethalers Roman »Ein ganzes Leben« verfilmte, zeigt als Weltpremiere seinen Kurzfilm »Pasolini« bei freiem Eintritt. »Damit wollen wir die Stadtgesellschaft inspirieren«, sagt Gröner. »Viele Filme spiegeln die schwierige Zeit, in der wir leben. Deshalb finden wir den Austausch mit dem Publikum umso wichtiger.«
Ganz ähnlich sieht es Chrissy Grundl. Auch sie begreift das Transit Filmfest als diskursiven Raum: »Es gibt nichts Schöneres, als wenn nach einer Vorstellung die Leute aus dem Kino kommen und direkt anfangen, sich darüber auszutauschen, was sie gerade gesehen haben. Und wenn junge Menschen im Gespräch mit den Filmschaffenden formulieren, was sie bewegt hat.« In der internationalen Hauptsektion laufen 37 Filme, viele davon werden durch Talks und Veranstaltungen ergänzt. So stellt unter anderem Paul Poet seinen halb dokumentarischen »Der Soldat Monika« vor. Er erzählt von einer transsexuellen Elitesoldatin und ist angelehnt an Monika Donner, eine der prominentesten Figuren der rechten Szene Österreichs. Nach der Vorstellung gibt die Postpunkband Gewalt ein Konzert, sie ist auch im Film zu sehen. »Hallo Spencer« wiederum spinnt die Geschichte der legendären Handpuppenserie weiter, Regisseur Timo Schierhorn stellt den Film zusammen mit Dirk von Lowtzow persönlich vor. Der Tocotronic-Sänger stand für »Hallo Spencer« vor der Kamera, nach der Vorführung liest er aus seinem aktuellen Buch.
Die Retrospektive des Transit Filmfests trägt den Titel »Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit« – ein Zitat aus einem Tocotronic-Song. Dort laufen »Werke, die damals als Skandalfilme verpönt waren, teilweise sogar zensiert oder verboten wurden, aber rückblickend den Weg für neue ästhetische und politische Denkweisen geebnet haben«, sagt Grundl. Mit »Sambizanga« von Sarah Maldoror läuft dort zum Beispiel der erste Langfilm, der in Afrika von einer Frau produziert wurde. Die deutsche Avantgarde-Regisseurin Monika Treut wird außerdem mit einer ausführlichen Werkschau geehrt. Gibt es denn einen Film in diesem diversen Programm, auf den Grundl sich besonders freut? »Eine schwierige Frage. Vielleicht auf »I Saw the TV Glow« von Jane Schoenbrun. Eine unheimliche Hommage an das PräinternetFantum mit Anleihen an »Buffy«, »Twin Peaks« und »Charmed«. Da geht mir als Fernsehkind das Herz auf.«
Und worauf freuen sich Christoph Gröner und Julia Weigl vom Filmschoolfest Munich besonders? Gröner nennt die Dokumentation »I See Them Bloom« von Nikita Gibalenko, der Regie an der HFF München studiert. In 27 Minuten erzählt der Film von zwei jungen Schwestern, die aus der Ukraine nach Deutschland flüchten. Sie hadern mit ihrem neuen Leben, während in ihrer Heimat Krieg herrscht. »Der ist so poetisch erzählt. Eben nicht als Problemfilm, sondern als wunderschönes Psychogramm. Diese psychologische Vermessung des Weltzustands ist in vielen Filmen spürbar.« Weigl hingegen genießt die große Vielfalt der Kurzfilme: »Dass man die völlige Formenvielfalt und das komplette Spielfeld des audiovisuellen Erzählens bei uns erleben kann, freut mich jedes Jahr aufs Neue.«
Eine Neuerung: Die einzelnen Programme, die meist vier oder fünf Filme umfassen, bekommen in diesem Jahr Titel. Sie heißen etwa »From Divine Love to Human Fate« oder »From Past Lives to Future Hopes«. Assoziative Überschriften, die die Fantasie befeuern. »Wir wollten damit die Lust anregen, sich diese bunten Mischungen anzusehen«, sagt Weigl. Denn wenn es nach Christoph Gröner geht, bietet das Filmschoolfest Munich vor allem eins: eine Festivalerfahrung, in die man durchgehend eintauchen kann. »Das war uns in diesem Jahr wichtig: Dass wir alle inspirieren können, in einer Zeit, die das gut vertragen kann.« Ganz besonders im grauen Herbst. ||
TRANSIT FILMFEST
Ostentor Kino, M26, Andreasstadel, Leerer Beutel | Regensburg | 6. bis 13. November | Website
FILMSCHOOLFEST MUNICH
Hochschule für Fernsehen & Film München | 15. bis 23. November | Website
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