Geschichten in einem Blick: Das Kunstfoyer zeigt die humorvollen und virtuosen Fotos von Abe Frajndlich.

Abe Frajndlich

Bilder von Kunst und Leben

 

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Abe Frajndlich: »Cindy Sherman, Garbo and Wall, Walker Street Studio, NYC, NY« | 1987/2014

Prominente möchten Kontrolle ausüben über das Bild, das man sich von ihnen macht, über die Bilder, die von ihnen in der Öffentlichkeit zirkulieren. Und wenn ein Fotograf nur 10 Minuten für Porträtaufnahmen zugestanden bekommt, ist es nicht leicht, eine »Beziehung« zum »Modell« aufzunehmen. Nicht so bei Abe Frajndlich. Dem gelang es, wie er erzählt, beim Stararchitekten Frank Gehry aus 10 Minuten eine ganze Woche zu machen und ihn bei seiner Arbeit zu begleiten. Denn der amerikanische Fotograf hat seit Mitte der 80erJahre nicht nur wichtige Magazine als Auftraggeber im Rücken wie »Life«, »Vanity Fair«, »Vogue« oder »The New York Times Magazine«, sondern er kann auch bei kreativen Menschen mit seinen Arbeiten deren Vertrauen gewinnen – und mit seinem menschlichen Verständnis, seinem Gespür, und vor allem seinem Humor. Andere Prominente wiederum lieben es, mal aus dem Rahmen zu fallen, sich auf ein Abenteuer einzulassen und gemeinsam mit dem Fotografen eine spezielle Geschichte zu erzählen.

In der Retrospektive des sehr menschlichen und aberwitzig kreativen Werks des 76-jährigen Abe Frajndlich, die Kuratorin Celia Lunsford beim Fotografie-Forum Frankfurt präsentiert hat und die nun bis Ende März in München im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung zu sehen ist, findet sich auch eine Hommage des Fotografen Duane Michals: »Anyone who can turn a lemon into Jack Lemonade is a foto alchemist«, heißt es darin. Das bezieht sich auf ein berühmtes Porträt – zugleich das Cover des Ausstellungsflyers –, das Frajndlich mit dem Schauspieler Jack Lemmon 1996 in Hollywood inszeniert hat. Lemmon trägt ein gelbes Sweatshirt und hält sich zwei Zitronen wie ein Fernglas vor die Augen, quasi anonymisiert, wenn man ihn nicht an seinem Mund erkennt. Die Geschichte hinter dem Bild ist fast noch witziger als das Resultat – es spielen der Rolls Royce des Schauspielers eine Rolle und ein Mädchen aus dem Nachbarstudio im Negligé. Freilich: Frajndlich hatte sich zuvor viele Filme angesehen, eine Szene daraus mit Lemmon als Yacht-Kapitän, das Fernglas auf sonnenbadende Mädchen gerichtet, im Kopf und er hatte viele Requisiten dabei, darunter den Wortwitz mit den Zitronen.

Der Auftrag kam vom »FAZ-Magazin«, zu dessen Stammfotografen Frajndlich lange gehörte. Seine Verbindung zu Frankfurt ist eine spezielle. 1946 wurde er dort in einem Lager für Displaced Persons geboren. Denn die Eltern hatten (anders als weitere Familienmitglieder) die Shoa überlebt. Der Vater starb im Lager, die Mutter wanderte mit dem Sohn nach Israel aus; doch ging er später in Frankfurt zur Schule und migrierte via Frankreich nach Brasilien, wo die Mutter starb. Mit 10 Jahren kam er als Adoptivkind in die USA, wo er dann in Illinois über den »Ulysses« von Joyce seine Masterarbeit schrieb. Nach dem Literaturstudium wandte er sich freilich der Fotografie zu, und der Ausstellungstitel »Chameleon« kann sich sowohl auf die rasche Anpassungsfähigkeit an verschiedenste Lebenssituationen von Kindheit an beziehen als auch auf die Annäherung des Fotografen an die Umgebungen und Charaktere seiner Bildwelten. »Jedes Porträt ist weniger Wiedergabe des Gesichts des jeweils Abgebildeten, als vielmehr ein Ausdruck des Subjekts gegen- über seiner eigenen Poesie. Abes Geheimnis ist sein Einfühlungsvermögen. Tiefes Verstehen, nicht bloßes Beobachten macht ihn als Fotografen aus«, so schreibt Duane Michals.

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»Self-Portrait, Chagrin
Falls, Ohio« | 1970 © Abe Frajndlich (2)

Einblicke in Frajndlichs Arbeitsweise und auch in eine besondere künstlerische Welt bieten diverse Aufnahmen der Fotokünstlerin Cindy Sherman, die sich als Person zurückhaltend, ja schüchtern verhält und die in ihrem Werk das Spiel mit Masken und in verschiedensten Rollen auf magische und tragische Weise perfektioniert hat. In einer Serie agieren beide in Shermans Studio, in einem mit erotischen Requisiten aufgeladenen Setting; ein anderes Bild zeigt die Künstlerin ungeschützt mit geschlossenen Augen. Intim – und sprechend in jedem Detail – sind auch die Porträts, die Frajndlich von seinem fotografischen Lehrmeister Minor White in den 70ern machte. Eine Muse, die ihn seit 1970 inspirierte, war die Schauspielerin und Performancekünstlerin Rosebud »Rosie« Conway. Fasziniert war er auch vom japanischen Butoh-Tanz. Aufnahmen in Paris 1980 zeigen Straßen-Auftritte der Gruppe Sankai Juku. 2008 fotografierte Frajndlich zufällig die in der New Yorker U-Bahn performende Tänzerin Minami Azu, mit der er dann intensiv zusammenarbeitete.

Immer wieder überrascht auf den zweiten Blick, wie fein, wie offen, wie verbunden – neben den faszinierenden szenischen und kompositorischen Einfällen – Frajndlichs Sensibilität für das Gegenüber die Bilder prägt. Besonders schön in seiner ersten Farbfoto-Serie »Masters of Light«, in der er bedeutende Fotografen des 20. Jahrhunderts porträtierte. Oft hat er das Auge für den sprechenden Moment, wenn er Protagonisten der Kunstszene einfängt, wie zum Beispiel Andy Warhol. Manchmal trägt ein konzeptueller Einfall wie bei dem Konzeptkünstler John Baldessari, der die Köpfe seiner Fotos mit farbigen Klebepunkten verdeckt hat und nun selbst einem roten Kreis vor dem Gesicht trägt. Gelegentlich hilft ein magischer Zufall: Bei Aufnahmen für das Plattencover einer Best-of-Compilation des Schlagzeugers Ginger Baker werkelt der Trommler vor einem Heuhaufen; auf dem wiederum kopulieren gerade zwei Hunde. Sich selbst hat Frajndlich – der von 1984 bis 2016 mit seiner Familie in New York lebte, seither in Cleveland – in einem skurrilen Showdown mit dem eigenen Schatten porträtiert, von hinten. ||

ABE FRAJNDLICH. CHAMELEON
Kunstfoyer | Maximilianstr. 53 | bis 1. April | täglich, 9.30–18.45 Uhr | Eintritt frei

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