Ulrich Rasche sperrt Hofmannsthals »Elektra« in einen ausweglosen Turm.

Die Bühnentechnik erdrückt den Inhalt in Ulrich Rasches »Elektra« (Ensemble) | © Thomas Aurin

Elektra sabbert und spuckt. Aus ihrem Mund rinnen lange Schleim- und Speichelfäden, die sie mit ihren Worten ausspuckt, während sie sich schwer stapfend auf der schrägen Drehbühne unermüdlich weiter schiebt. Katja Bürkle wirkt wie eine erschöpfte Bergsteigerin beim mühsamen Aufstieg zu einem Gipfel, der ständig höher zu wachsen scheint. Sie kennt nur ein Ziel: Blutrache für den Mord an ihrem Vater Agamemnon, begangen von ihrer Mutter Klytämnestra und deren Liebhaber Ägisth.

Elektra ist neben Medea eine der extremsten Frauenfiguren der Antike. Aischylos hat sie in seiner »Orestie«-Trilogie vor über 2400 Jahren als Erster auf die griechische Bühne gebracht, danach auch Euripides und Sophokles. Seitdem hat sie viele Dichter angeregt, so auch Hugo von Hofmannsthal. Dessen 1903 mit Gertrud Eysoldt uraufgeführte »Elektra«-Tragödie ist heute fast nur noch als Libretto der Oper »Elektra« von Richard Strauß bekannt, die 1909 zur Uraufführung kam. Das ursprüngliche Hofmannsthal-Stück hat nun Ulrich Rasche im Residenztheater inszeniert – in einer monumentalen Überwältigungs-Maschinerie.

Regisseur Rasche hat im Resi bereits Schillers »Räuber« auf zwei riesige Förderbänder gestellt und unerbittlich marschieren lassen. Gewaltige, tonnenschwere Maschinen in Dauerbewegung sind sein Markenzeichen, er entwirft sie selbst. Für »Elektra« konstruierte er einen dreiteiligen Metallturm mit
transparenter Ummantelung. Die Kuppel hebt und senkt sich in alle Richtungen, ebenso der Unterbau und die Drehscheibe dazwischen. Sie ist die Plattform für die angeketteten Schauspieler, die ständig in der Schräge gegen die Rotation anlaufen müssen. Und dabei zerhackt den Text skandieren. Alle Schauspieler, auch der achtköpfige Chor, meistern das mit großer Bravour. Doch für psychologisches Spiel lässt dieser Formalismus keinen Raum.

Der Turm ist Psychokerker für drei Frauen: Klytämnestra (Juliane Köhler) wird von Schuld und Albträumen verfolgt. Ihre Tochter Chrysothemis (Lilith Häßle) möchte einfach ein normales Leben führen. Doch Elektra will die Schwester als Mordkomplizin in die Pflicht nehmen, solange nicht der exilierte Bruder Orest (Thomas Lettow) als Rächer zurückkehrt. Alle sind ausweglos gefangen in ihren Zwangsvorstellungen. Vor allem Elektra, die Hofmannsthal als Hysterikerin charakterisiert, beeinflusst von den 1895 erschienenen »Studien über die Hysterie« von Sigmund Freud und Josef Breuer, einem Pfeiler der Psychoanalyse. Dieser verengenden Interpretation folgt Ulrich Rasche. Deshalb muss Katja Bürkle, die die Hauptlast stemmt, als unversöhnliche Fanatikerin vor Hass und Rachedurst geifern und spucken. Sie bewältigt diesen physischen Wahnsinns-Kraftakt mit einer unglaublichen Stärke, die mehr Aufmerksamkeit heischt als die spektakuläre Mechanik. Doch bleibt das Gefühl, dass hier die Bühnentechnik denInhalt erdrückt. ||

ELEKTRA
Residenztheater | 3. März| 20 Uhr | 4., 30. März| 19.30 Uhr
31. März| 19 Uhr | Tickets: 089 21851940

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