Im Kloster Beuerberg wurde gern gespielt. Das erfährt man auf den Spuren der Salesianerinnen.
»Bis weit ins 20. Jahrhundert war es für Frauen schwer, außerhalb der Ehe ein geachtetes Dasein zu führen. Eine ehrenhafte Ausnahme war der Eintritt ins Kloster.« Damit erklärt sich die häufig gestellte Frage, warum Frauen überhaupt ins Kloster gingen, schon am Anfang des Weges durch die Klosteranlage in Beuerberg. Frauen wurden nicht nur von Eltern oder anderen Vormunden weggesperrt, weil sie unbequem oder nicht waren – der Eintritt ins Kloster war oft auch eine selbstbestimmte Entscheidung. Das Salesianerinnenkloster nahe dem Starnberger See ist ein Kleinod, das zu entdecken sich lohnt. Das Kloster ist nicht mehr im ursprünglichen Betrieb, wird aber von Christoph Kürzeder, Direktor des Freisinger Diözesanmuseums (das derzeit renoviert wird, aber in dessen Zuständigkeitsbereich auch weitere Refugien in der Erzdiözese München und Freising fallen), auf wundersame Weise wiederbelebt: Wechselnde Ausstellungen laden die Öffentlichkeit ein, ins lange verborgene Leben hinter hohen Mauern einzutauchen.
In Beuerberg kann man derzeit einen Aspekt des klösterlichen Alltags erleben, der weithin unbekannt ist – die Kultur des Spiels. Und diese war gar nicht so weltabgekehrt, wie man vielleicht vermutet. »Das Spiel beginnt!« heißt die Ausstellung, in der man schon am Eingang mittendrin ist: Man darf aus einem Korb ein Los ziehen, das man als Spaß oder auch als Motto für den Rest des Tages (oder auch länger) verstehen darf. Auf dem bunten Papierchen stehen ein Wort und eine Zahl sowie ein Abbild eines oder einer Heiligen. Das Los bestimmte z. B. im Neujahrskapitel an Silvester künftige Rollen und Positionen: die Platznummer im Chor und die Zellennummer, das Wort benannte eine Aufgabe oder Leitidee und der oder die Heilige war das nächste Jahresvorbild. Bei den Salesianerinnen wurde die Organisation des Klosterlebens häufig dem »göttlichen« Zufallsprinzip überlassen. So eingestimmt, begibt man sich ins Innere der Klosteranlage. In mehreren aufeinanderfolgenden Räumen sind Brett- und Kartenspiele ausgestellt, mit denen Tugenden und Andachtsformen eingeübt wurden. Ziel der »Reise in die Ewigkeit« ist, sich entweder ins Himmelreich oder in die Hölle zu würfeln. Ein ganzer Raum wurde in eine riesige Spielfläche verwandelt, auf der die Besucher ihr Glück versuchen können. Wenn auch das salesianische Prinzip der »maßvollen Fröhlichkeit« geboten war, kann man sich die durchaus sardonische (Schaden-)Freude vorstellen, je nachdem, wie die Würfel fielen.
Eine weitere Variante des Kloster-Spiels war die Realisierung von Theateraufführungen. Diese dienten der Aneignung von Tugendlehren ebenso wie der Persönlichkeitsbildung nicht nur von Schülerinnen in den Klosterschulen, sondern auch der Schwestern selbst. Aufwendige Kostüme und Kulissen wurden hergestellt, in denen zum Schuljahresende, im Fasching oder zu Dreikönig »heitere und besinnliche« Stücke aufgeführt wurden. Der Rekreation diente auch der Musikgenuss, wie die Plattensammlung der Schwestern im eindrucksvollen Likör-Vorratsraum beweist. Während man sich über die Herstellung des traditionellen Klosterlikörs informiert, schmettert Bally Prell im Hintergrund »Es wird ein Wein sein«, ein Lied, das die Schwestern wohl gern mitsangen. Nach der Ausstellung empfiehlt sich ein Besuch des Klostergartens, wo man sich stärken kann, um dann im mit dem Klosterwappen gezierten Liegestuhl ein Nickerchen zu machen. Ein Tag in Beuerberg wird so zur zwanglosen Rundum-Komplettrekreation, nur 45 Minuten von München entfernt. ||
DAS SPIEL BEGINNT!
Kloster Beuerberg| Königsdorfer Str. 7, 82547
Eurasburg-Beuerberg | bis 7. Okt.| Mi bis So und Feiertage 10–18 Uhr | Informationen zum Rahmenprogramm
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