Die neue Ausstellung im Freisinger Diözesanmuseum fasst ein heißes Eisen an. Wie geht man mit dem Komplex »Verdammte Lust« im kirchlichen Kontext um? Rupert Sommer traf Museumsdirektor Christoph Kürzeder vor Ort.

Verdammte Lust

»Doppelbödigkeit ist immer ein Prinzip der Kunst«

verdammte lust

Francesco Cairo (1607–1665): Entrückung der hl. Maria Magdalena | um 1600 © Collezione Gastaldi Rotelli, Foto: Diego Brambilla, Mailand

Ein Ausstellungsgroßprojekt – nach »Tanz auf dem Vulkan« schon das zweite nach der Wiedereröffnung des spektakulär schön restaurierten Diözesanmuseums Freising –, das Museumsdirektor Christoph Kürzeder nicht nur Lust bereitet haben dürfte. Sondern auch schlaflose Nächte. Verdammte Axt, hätte Lena Meyer-Landrut einst gesagt: Diese Landpartie lohnt sich!

Herr Kürzeder, wenn Sie auf die Entstehung Ihrer Ausstellung mit dem durchaus spannungsreichen Titel »Verdammte Lust« zurückblicken: Wie sehr steht da die »ärgerliche Lust« oder doch wohl viel mehr die »unterdrückte Lust« im Zentrum?
Den Titel kann man schon ganz eindeutig lesen. Die Verdammung eines zum Menschen gehörenden sehr wichtigen Prinzips, das ja auch für den Erhalt der Menschheit nicht ganz unwichtig ist, ist das Thema. Es geht um die Frage, warum etwas, was zum Menschen so grundsätzlich und tief dazugehört, mit so vielen Tabus und Verboten, mit Sünde und Schuld behaftet ist. Es berührt ja auch die Problematik des sexuellen Missbrauchs in der Kirche.

Offenbar war das ja – angeregt durch Kardinal Marx, Ihren obersten Dienstherrn – ein zusätzlicher Anlass für die Ausstellung.
Das Thema des Missbrauchs war sozusagen der erste Impuls für die Ausstellung. Aber sie ist viel grundsätzlicher angelegt. Im Zuge der Aufarbeitung der Missbrauchsproblematik wurden ja systemische Probleme offenbar, wie sexuelle Unreife, Verdrängung und Doppelmoral. Es geht daher um die Frage: Wo sind denn eigentlich die Wurzeln für das problematische Verhältnis zur Sexualität und damit vor allem auch zu unserem eigenen Körper im Christentum? Dieser Blickwinkel war für uns konzeptionell leitend.

Das klingt jetzt fast ein wenig nach »leidend«.
Ja, das ist richtig, das Leiden an Regeln und Tabus, die Menschen in ihrer Sexualität immer überfordert haben und an denen sie letztendlich scheiterten. Kardinal Marx sprach in seiner Eröffnungsrede der Ausstellung in diesem Zusammenhang von einer Traumatisierung und einer toxischen Situation. Aus heutiger Sicht kommt man an den zentralen Erkenntnissen der Humanwissenschaften oder der Psychologie, die menschliche Sexualität betreffend, nicht mehr vorbei. Das wissen wir ja eigentlich schon seit vielen Jahrzehnten. Wir fragen deshalb, inwieweit Kunst auf diese Gebote und Verbote, auf die Zähmung der menschlichen Sexualität eingeht, bzw. diese auch auf den Kopf stellt und damit entlarvt. Das ist eine Spur, die man durch die Jahrhunderte verfolgen kann.

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Dr. Christoph Kürzeder | © Diözesanmuseum Freising Foto: Thomas Dashuber

Das komplette Gespräch und die Besprechung der Ausstellung finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

VERDAMMTE LUST! KIRCHE, KÖRPER, KUNST
Diözesanmuseum Freising | bis 29. Mai
Di bis So 10–18 Uhr, auch an den Osterfeiertagen

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Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553): Schlummernde Quellnymphe | um 1537 © Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie de Besançon, Foto: Arcanes

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