Liv Strömquist setzt sich in ihrer Graphic Novel mit dem Optimierungswahn unserer Gesellschaft auseinander und lässt Astrologen, Heilige, Influencer und Zirkusartisten auftreten.
Liv Strömquist. Das Orakel spricht
Work Hard!
LIV STRÖMQUIST: DAS ORAKEL SPRICHT
Aus dem Schwedischen von Katharina Erben | avant-verlag | 248 Seiten | 25 Euro
Vielleicht liegt der Anfang allen Übels in der Astrologie? Der amerikanische Promi-Astrologe Carroll Righter jedenfalls verbreitete in seinen Horoskopen, die unter anderem Ronald Reagan, Grace Kelly und Clark Gable konsultierten, seit den 1950er Jahren vor allem zwei Botschaften: Kümmere dich um dein Äußeres, also »sei hübsch!« Und: Genieße das Leben, »sei glücklich!« Mittlerweile haben die sozialen Medien übernommen. Die Botschaft ist dieselbe: super aussehen und glücklich sein. Doch wie nur sollen wir das anstellen? Kein Problem! Unzählige selbst ernannte Expert*innen versorgen uns rund um die Uhr mit allen nötigen und möglichen Schönheits, Gesundheits und Lebenshilfetipps Das Internet ist voll davon, doch auch im realen Leben gibt es Leute wie Meghan Markle, die gut gemeinte Nachrichten für Sexarbeiter*innen auf Bananen schreiben. Dass Sätze wie »Your future is bright« oder »Work hard!« als Botschaft an Menschen mit Gewalt-, Sucht- und Armutserfahrung ziemlich zynisch klingen? Egal. – Die schwedische Autorin Liv Strömquist spürt in ihrer neuen Graphic Novel »Das Orakel spricht« unserer an Ratgebern so reichen Gegenwart nach, beobachtet genau und reichert das Ganze wie gewohnt mit Philosophie, Soziologie und jeder Menge Humor an. Ein Gespräch über Unsicherheiten und unsere ewige Suche nach Liebe und Glück.
MF: Welche Themen behandeln Sie in »Das Orakel spricht«?
Liv Strömquist: Alles dreht sich um die Wellness, Gesundheits- und Schönheitskultur. Um das Bestreben, sich selbst und das eigene Leben zu optimieren. Und ja, ich versuche, diesen ganzen Diskurs darum ein bisschen zu analysieren. Diese Themen sind mir in den letzten Jahren immer stärker untergekommen: Selbstoptimierung und Therapie, dieses ganze Arbeiten am physischen und psychischen Wohlbefinden. Natürlich hat das viel mit den sozialen Medien zu tun und allen möglichen Coaches, die dir verschiedenste Tipps geben, wie du erfolgreicher daten, arbeiten oder deine Traumata heilen kannst. Irgendwie explodieren diese Diskurse gerade.
Das Buch beschränkt sich dabei nicht auf unsere Gegenwart, sondern startet eine Reise in die Vergangenheit der Ratgeberkultur, beginnend mit dem Orakel von Delphi.
Dass Menschen Rat suchen, ist nichts Neues. Neu ist, dass ein Markt entstanden ist rund um Selbsthilfe und persönliche Entwicklung. Dieser Markt folgt einer kapitalistischen Logik wie alle anderen Märkte auch. Um Ratschläge zu vermarkten, muss die Nachfrage permanent ansteigen. Also gibt es immer irgendwas, was du verbessern kannst und sollst.
Das komplette Interview finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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