Am Ende von »791 km« haben fünf Menschen viel dazugelernt – über sich und die anderen. Darüber kann das Publikum genauso viel lachen wie weinen.

791 km

Einmal München – Hamburg

791 km

Grölend nach Hamburg: Joachim Król als Taxifahrer | © PANTALEON Films/ProU Producers United Film

Was für eine (Sturm-­)Nacht! Nichts geht mehr für 24 Stunden, keine Flüge, keine Züge. Die Schlangen an den Schaltern des Münchner Hauptbahnhofs sind entsprechend lang. Was tun, wenn man dringend nach Hamburg muss, ziemlich exakt 791 Schienenkilometer? Weil Taxis notgedrungen Mangelware sind in dieser Nacht, müssen sich fünf Menschen einen Wagen teilen. Sie verbindet nichts (oder nichts mehr), aber alle sind von der Bahn, die sie eigentlich nehmen wollten, mit einem wertvollen Fahrtgutschein ausgestattet. In Summe überzeugt das sogar den unwilligen Fahrer, der behauptet, eigentlich Feierabend zu haben.

Die beteiligten Personen der feinen, aberauch prallen Komödie, die zwischendurch immer mal kippen könnte, sind: eine vorlaute Altachtundsechzigerin und einstige Revoluzzerin namens Marianne (Iris Berben), die extrem angespannte junge Karrieristin Tiana (Nilam Farooq) auf dem Weg zum für sie alles entscheidenden Vorstellungsgespräch und mit ihrem Laptop fast verwachsen sowie ihr (Noch­-)Freund Philipp (Ben Münchow), Physiotherapeut auf Stundenbasis. Er stellt das komplette Gegenteil dar, ist vermeintlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen und wankt scheinbar dauergechillt ohne Ziel durchs Leben. Zwischen beiden sitzt Susi (Lena Urzendowsky): Das Mädchen taucht erst langsam unter ihrem Hoodie auf und braucht noch länger, bis sie auftaut. Doch dann trägt sie das Herz auf der Zunge, ist vollkommen unangefochten von irgendwelchen sozialen Konventionen und hört nicht mehr auf, alle und alles zu kommentieren. Sie wird zum Lackmustest für den Rest der Mitfahrenden, genauso wie der Fahrer (Joachim Król).

Er ist der Dauergrantler, aber auch der Einzige in dieser Blechkiste, der geerdet scheint. Warum er eigentlich allein nach Hamburg will und sein Taxi­-Schild versehentlich gelb leuchtete, erfahren wir am Ende, wenn plötzlich alle ein einziges Ziel haben. Was auf der Strecke München–Hamburg auf der Autobahn oder bei einer Polizeikontrolle einstweilen passiert, wie jeder der vier Fahrgäste (plus Fahrer) sich und die anderen in Frage stellt, was passieren muss, dass alle heil und um einige Erfahrungen reicher im Norden ankommen – das darf hier natürlich nicht verraten werden, aber sehr wohl der schöne Satz, der in diesen gut 100 Minuten mehrfach als Warnung fällt und den man sich ins Stammbuch schreiben sollte: »Ungeduld ist ein Hemd aus Brennnesseln!« Die erlebt man während dieses Films, der wie im Flug vergeht und bei dem sich Lachen und Weinen manchmal minutenweise abwechseln, allerdings niemals. Denn das Timing von DrehbuchAutor Gernot Gricksch und Regisseur Tobi Baumann ist genauso perfekt wie das aufgekratzte Spiel der fünf Protagonisten. ||

791 KM
Deutschland 2023 | Regie: Tobi Baumann | Buch: Gernot Gricksch | Mit: Iris Berben, Joachim Król, Nilam Farooq, Ben Münchow, Lena Urzendowsky | 103 Minuten | Kinostart: 14. Dezember | Website

Weitere Filmkritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

Das könnte Sie auch interessieren: