In dem effektvollen Anime »Suzume« rettet ein Mädchen die Welt vor Erdbeben, Überschwemmungen und einem Riesenwurm.
Suzume
Bunter Genre-Mix

In Japan war der Film mit über fünf Millionen Besucher*innen ein großer Kassenerfolg | © Film Partners
Schicksalhaft stößt die Schulter der 17-jährigen Suzume mit der eines Fremden zusammen. Rätselhaft klingt dessen Ziel: »Ich suche nach einer Tür.« Diese findet Suzume nur wenig später in einer überfluteten Ruinenstadt. Als sie die Tür öffnet, entfesselt sie damit einen Riesenwurm, der wie ein blutroter Tornado heftige Erdbeben und meterhohe Überschwemmungen auslöst. Der fremde junge Mann eilt Suzume zu Hilfe und zähmt den Wurm, indem er ihn mit einem Schlüssel wieder hinter die Tür sperrt. Das Beben hinterlässt eingestürzte Häuser und zerklüftete Straßen.
Durch den Fremden lernt das Mädchen die japanische Legende des Wurms kennen, der seit Jahrhunderten wahllos Zerstörung auf der Inselgruppe im Pazifik verursacht. Die Parallele zum Erdbeben von 2011 in Japan ist kaum zu übersehen. Der Regisseur und Drehbuchautor Makoto Shinkai hat sich schon in seinem vorherigen Anime-Film »Weathering With You« mit entfesselten Klimaphänomenen beschäftigt. Dass die Erde unter den Füßen und der Himmel über den Köpfen instabil ist, gehört seit »Godzilla« (1954) zur japanischen Popkultur. Auch die Filme des legendären Zeichentrickfilmstudios Studio Ghibli wie »Nausicaä aus dem Tal der Winde« (1984) oder »Prinzessin Mononoke« (1997) thematisieren immer wieder das Spannungsfeld Mensch und Natur.
In »Suzume«, der auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief und bereits in Japan ein riesiger Kassenerfolg war, steht ein Mädchen im Zentrum, das bei seiner Tante aufgewachsen ist und mit dem Verlust der Mutter zu kämpfen hat. Neue Begleiter findet sie in einer sprechenden Katze und einem dreibeinigen Stuhl. Der fremde Mann hat sich in das Möbelstück verwandelt, nachdem Suzume die Tür geöffnet hatte. Zu dritt trampen sie durch Japan, um der Erdbebenwarnung auf den Smartphones zuvorzukommen und weiteres Chaos zu verhindern.
Der Anime ist ein bunter Genremix aus Roadmovie, Teenieromanze, Familiendrama und Katastrophenfilm. Suzume wächst dabei in die Rolle der Weltenretterin und bewältigt gleichzeitig ihre ungelösten Wunden der Vergangenheit. Leider wirkt die Hauptfigur weniger originär als die fantasievolle Grundidee des Films. Die Flashbacks mit der Mutter, der Streit und die Versöhnung mit der Tante sind vorhersehbar und entwickeln keine Eigendynamik. Die lustige Lovestory mit dem Stuhl ist dagegen in den Hintergrund gedrängt. Der Regisseur Makoto Shinkai setzt wie in seinen Vorgängerfilmen auf spektakuläre Effekte und ausladende Emotionen, wenn der Riesenwurm sich beispielsweise über einer Großstadt ausbreitet und die Welt der Menschen in ein Chaos stürzt.
Aus dem Film kann man eine Sehnsucht nach Sicherheit herauslesen. Egal ob Erdbeben das Zuhause zerstören oder Familien getrennt werden – die Figuren finden Trost in fantastischen Gestalten und ihren eigenen Erinnerungen. So stammt der dreibeinige Stuhl aus Suzumes Kindheit. Außerdem zelebriert der Film die japanische Kultur: SushiPlatten, Ramen-Suppen, Karaokebars und Katzen, die als Ansprechpartner dienen. Die Bilder suggerieren Sicherheit in einer Welt, in der Umweltkatastrophen zum Alltag gehören. Als ein stillgelegter Freizeitpark aufgrund des Wurms zufällig zu leuchten beginnt, fürchten die Menschen sich ausnahmsweise nicht, sondern genießen den Anblick der glitzernden Achterbahnen. ||
SUZUME
Japan 2023 | Regie: Makoto Shinkai
Mit: Nanoka Hara, Hokuto Matsumura, Eri Fukatsu | 122 Minuten | Animation
Kinostart: 13. April | Website
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