Saralisa Volms Regie-Debüt »Schweigend steht der Wald« bietet faszinierend düstere Vergangenheitsbewältigung in der Oberpfalz. Ab morgen im Kino!

Schweigend steht der Wald

Grimmschwer Ingrimm

schweigend steht der wald

Anja Grimm (Henriette Confurius) untersucht den Wald gründlicher, als manchem lieb ist | © if Productions und POISON

Irritierende Bodenproben im verwunschenen Wald, eigentlich in einer Lichtung, machen die Forst-Praktikantin Anja Grimm (mit charmanter, charismatischer Hartnäckigkeit: Henriette Confurius) stutzig, denn ausgerechnet hier ist ihr Vater Johannes vor 20 Jahren spurlos verschwunden. »Waldboden ist wie Kinderhaut, der erinnert sich an alles«, wird sie einmal sagen und hört nicht auf zu graben, zu vermessen, die Bodenproben zu analysieren und bohrende Fragen zu stellen. Ihre Nachforschungen, auch dank eines opulenten handschriftlichen Herbariums ihres Vaters mit Eintragungen zu allerlei getrockneten Pflanzen und wo sie warum vorkommen oder auch nicht, werden allerdings von allen Seiten behindert, denn »die liest den Wald wie keiner von uns« und das ist eine Bedrohung.

Alle sind irgendwie miteinander bekannt oder verwandt und was 1979 hier passiert ist, will keiner mehr wissen, oder wenn er es weiß, dann verschweigt er es tunlichst. Der schon immer irgendwie seltsam verschrobene Xaver bedroht Anja und erschlägt brutal seine eigene Mutter, vermeintlich grundlos. Noch mehr Menschen werden sterben, aber am Ende gibt es auch fatale Erkenntnisse. Denn durch diesen Wald wurden einst auf Todesmärschen die KZ-Insassen von Flossenbürg getrieben.

Rupert (sehr geheimnisvoll, auch zugewandt, und doch zugleich taffer Geschäftsmann: Noah Saavedra) ist Neffe von Xaver und Sandkasten-Freund von Anja. Er ermisst langsam die Zusammenhänge, die Gustav Dallmann (ein mieser, frauenfeindlicher Typ: August Zirner) totschweigen und sein Sohn Konrad (zerrissen zwischen allen Stühlen: Robert Stadlober) als Polizist aufklären will. Rupert hilft seiner Mutter (Johanna Bittenbinder), der Schwester von Xaver, und seinem Vater, will den Wald touristisch als »Märchenwald mit Wipfelpfad« erschließen. Doch wer will schon Urlaub machen, wo »einer seine Mutter erschlagen hat«. Einmal deutet Anja Grimm (Nomen est Omen!) gegenüber Rupert das berühmte Grimmsche Märchen von »Hänsel und Gretel« als böse Pogrom-Geschichte einer asozialen Familie, in der Kinder während einer Hungersnot in den Wald getrieben werden und eine wehrlose alte Frau überfallen und verbrennen. So überblendet das Märchen die Vergangenheit und macht die Zukunft unmöglich.

Die vor allem als Schauspielerin bekannt gewordene Saralisa Volm hat in ihrem ersten Langfilm »Schweigend steht der Wald« Wolfram Fleischhauers gleichnamigen Roman kongenial düster verfilmt mit Schauspieler:innen, die breiten Dialekt sprechen, unterstützt von einer stets beklemmend untergründig drohenden Musik, die Malakoff Kovalski um eine Bach’sche Solo-Cello-Suite herum dunkel raunen lässt. Der Wald ist hier zugleich faszinierend geheimnisvoller, traumhaft schöner Schutzraum und das verborgene Versteck mehrerer Verbrechen, während freilich die mit Erinnerungsstücken vollgestellten Innenräume kaum weniger bedrohlich und entlarvend sind. ||

Drehortsbesuch von Simon Hauck

SCHWEIGEND STEHT DER WALD
Deutschland 2022 | Regie: Saralisa Volm | Drehbuch: Wolfram Fleischhauer | Mit: Henriette Confurius, Noah Saavedra, August Zirner, Robert Stadlober, Johanna Bittenbinder | Musik: Malakoff Kovalski | 94 Minuten | Kinostart: 27. Oktober | Website

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