Und noch drei Lesetipps aus unserer Sommersammlung! Die kompletten Vorschläge für Ihre Lektüre im Schatten finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

Lesetipps für den Sommer

 

Claudia Schumacher – Liebe ist gewaltig

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Unerbittlich
Juli Ehre ist Meisterin der Neuanfänge. Schon früh profiliert sie sich im Eiskunstlauf – und als sie krankheitsbedingt ausscheidet, sucht sie fieberhaft nach anderen Wegen herauszuragen. Die 13-Jährige hat bereits verinnerlicht, dass Scheitern keine Option ist und Durchschnittlichkeit in ihrer Familie verachtet wird. Wobei in der Anwaltsvilla in einem Stuttgarter Vorort nur einer bestimmt, wo es langgeht. Claudia Schumacher hat einen brisanten Stoff gewählt. Ihr Debüt handelt von einer dysfunktionalen Familie, genauer: von einem gewalttätigen Vater, einer schwachen, schweigenden Mutter und vier verschieden versehrten Kindern. Im Fokus steht Juli, die sich in ihrer Not immer wieder neu erfindet. Nach dem Abi flieht sie nach Berlin. Sie nennt sich fortan Jules, promoviert in mathematischer Logik, finanziert ihr Studium mit Gaming, nimmt (zu) viele Drogen, verliebt sich in die Londoner Feministin Sanyu. Einige Jahre später hockt sie als Julia mit einem drögen Freund in einer cleanen Zürcher Wohnung. Bis sie erkennt, dass sie Julis Erlebnisse niemals totschweigen kann … Ein wahrlich gewaltiger Roman. ||
TINA RAUSCH
CLAUDIA SCHUMACHER: LIEBE IST GEWALTIG
dtv, 2022 | 376 Seiten | 22 Euro

 

Karl-Heinz Göttert & Günter Wallraff – Fallada zum Vergnügen

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Lebensprall

Spätestens seit der ungekürzten Neuausgabe von »Jeder stirbt für sich allein« – im englischsprachigen Raum 2009, hierzulande 2011 – ist der Schriftsteller Hans Fallada wieder in aller Munde. Seitdem ist kein Jahr vergangen, in dem nicht ein Buch, eine Geschichtensammlung oder eine Hörspieladaption des 1947 an den Folgen jahrelanger Alkohol- und Morphinsucht gestorbenen Dichters erschienen ist. Seit fünf Jahren liegt zudem die maßgebliche Biografie von Peter Walther über Falladas wechselvolles und widersprüchliches Leben vor.

Die Zusammenstellung »Fallada zum Vergnügen«, die der Germanist Karl-Heinz Göttert gemeinsam mit seinem Freund Günter Wallraff in diesem Frühjahr besorgt hat, wäre vor diesem Hintergrund eigentlich zu entbehren. Und doch liest man sich in den klug gewählten Textausschnitten der großen Menschenromane von »Kleiner Mann – was nun?« über »Wolf unter Wölfen« und »Der eiserne Gustav« bis zu »Jeder stirbt für sich allein« sofort fest, verfängt sich in dem lebensprallen Realismus, dem leichtgängigen Sound der Sprache. Gleich anschließend möchte man einen der Romane vollständig lesen. Besonders schön ist es, dass die Herausgeber auch ein paar Briefe Falladas an seine Frau Suse ausgewählt haben: »Die Liebe, die arme, verachtete, verspottete Liebe war plötzlich bei mir, sie hielt ich mit Dir in den Armen (…)«, schrieb er verzückt 1929, im Jahr der Heirat. Ein Büchlein für Fallada-Liebhaber und alle, die es werden wollen. ||
FLORIAN WELLE

KARL-HEINZ GÖTTERT UND GÜNTER WALLRAFF: FALLADA ZUM VERGNÜGEN
Reclam, 2022 | 167 Seiten, mit 9 Abb. | 6 Euro

 

Gunther Buskies & Jonas Engelmann – Monarchie und Alltag. Ein Fehlfarben-Comic

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Irritierend faszinierend
Es gab nicht viele Platten, die für die Neue Welle wichtig waren, bevor die Industrie sie kandierte. »Monarchie und Alltag« war eine davon. Peter Hein brüllte Texte mehr, als er sie sang, alltagspoetische Verschlüsselungen des Pershing-Gefühls einer tiefgehenden Verunsicherung, die vom Politischen ins Persönliche mündeten. Die Band hielt trocken und kantig gemixt dagegen, wirkte rastlos, aber auch selbstbewusst. Damit schufen die Fehlfarben 1980 einen Sound der Stunde, der weiterhin inspiriert. Gunther Buskies und Jonas Engelmann haben für den Ventil Verlag zehn Comiczeichner:innen gefragt, ob sie aus jeweils einem Lied einen Strip machen wollten, um sie zusammen zu einem »Songcomic« zu kombinieren. Das Resultat ist irritierend faszinierend. Unterschiedliche Stile von Frank Witzel oder Anna Sommer, Anke Kuhl oder Ricaletto, Nicolas Mahler oder Markus Färber docken aneinander an, Skizziertes und mit dickem Strich Gepinseltes, Plakathaftes und Flirrendes. Kennt man die Musik gut, bekommt sie über die Bilder veränderte Assoziationsoptionen. Kennt man sie nicht, zeigt sich vor allem die Zeitlosigkeit der Texte und Vielfalt der optischen Variationen. Einmal mehr sind die Achtziger ganz nah. ||
RALF DOMBROWSKI

GUNTHER BUSKIES, JONAS ENGELMANN (HRSG.): MONARCHIE UND ALLTAG. EIN FEHLFARBEN­SONGCOMIC
Ventil Verlag, 2022 | 128 Seiten | 25 Euro

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