Rosenmüller & Co. setzen mit »Willkommen in Siegheilkirchen« dem österreichischen Karikaturisten Manfred Deix ein Denkmal. Ab heute im Kino!

Willkommen in Siegheilkirchen

»Scheiß’ mi o!«

Willkommen in Siegheilkirchen

Was müssen sie Schreckliches sehen, die braven Dorfbewohner? | © Pandora Film Medien GmbH

»Des mit da Kunstmalerei is’ nix! Des sog i da glei.« Der mit Grips und Zeichenstift begabte Sohn des Dorfwirts, den alle nur »Rotzbub« (Stimme: Markus Freistätter) nennen, hat es nicht leicht im ebenso miefigen wie NS-verseuchten Nachkriegsösterreich. Hier war im grotesken Selbstverständnis der Berufscholeriker vom Pfarrer (Jürgen Maurer) über den Gendarm (Armin Assinger) bis zum Bürgermeister (Karl Fischer) selbstverständlich keiner bei den Braunhemden dabei. Wenngleich aber im nächsten xenophoben Wirtshausschlagabtausch sofort betont wird, dass es »D’Zigeinerleid« beim berühmtesten Braunauer der Weltgeschichte gar nicht (mehr) gegeben hätte. Und der »Herrgott« höchstselbst habe offensichtlich nicht allzu genau hingesehen, als sie plötzlich verschwanden …

Schon zum Auftakt dieses ausgenommen bissigen wie gallig inszenierten (Regie: Marcus H. Rosenmüller mit Santiago Lopéz Jover) Animationsfilms made in Austria – das ist immerhin eine filmhistorische Premiere – wird die Latte der Geschmacklosigkeiten extrem hochgelegt. Was keinesfalls überrascht: Schließlich werden im titelgebenden Ort »Siegheilkirchen« die Kindheitsjahre des mit Abstand krassesten österreichischen Karikaturisten nachgezeichnet: Manfred Deix (1949–2016), dessen physiognomische Groteskgestalten es als »Deixfiguren« sogar in den Duden geschafft haben. Dementsprechend strotzt dieser wenig runde, dennoch schwarzhumorige Zotenreißer vor brachialem Sexual- wie Fäkalhumor (»Scheiß’ mi o!«), was in Verbindung mit ätzender Kritik am Dorftrotteltum wie an der notorischen Drangsalierlust vieler Nachbarländler eine gewagte Mischung ergibt: einen drastisch-dreisten, sprich Deix’schen, Giftcocktail eben, der einem übel aufstößt und für viel Kopfweh sorgt, was für den realen Berufstrinker und Kettenraucher Deix (»Karikatur ohne Bissigkeit, Drastik, Schärfe ergibt keinen Sinn«) aber trotzdem »a leiwande Sach’« gewesen wäre. Gott hab ihn selig, wenn er nicht längst beim Teufel gelandet ist: denn einen bösartigeren Künstler hat die Alpenrepublik seither nicht mehr hervorgebracht. Dafür wurde er zu Lebzeiten bereits von einem anderen Berufszyniker in den Himmel gelobt: Billy Wilder. ||

WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN – DER DEIX FILM
Österreich/Deutschland, 2021 | Regie: Marcus H. Rosenmüller und Santiago Lopéz Jover
Drehbuch: Martin Ambrosch | 85 Minuten
Kinostart: 7. Juli
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