Dreimal abgesagt, aber wieder am Start. Das Tollwood holt sich so nachhaltig wie möglich seinen Sommerplatz zurück.
Tollwood 2022
Patti und der Wal
Bei Problemen einfach kurz in der Bayerischen Staatskanzlei vorbeizuschauen und den Ministerpräsidenten Markus Söder in seinem Büro zu besuchen, diese Möglichkeit sollte eigentlich jeder haben. Man könnte dann, direkt demokratisch, zwischen dem Astronautenbild an der Wand und der kleinen Franz-Josef-Strauß-Statue sitzen und mit dem Chef des Hauses über den nervigen Verkehr, den Bierpreis oder Star Wars diskutieren. Nur ein Traum? Nicht ganz. Denn auf dem am 16. Juni startenden Tollwood-Festival kann man genau das machen. Gut, die Staatskanzlei ist dort nur nachgebaut, im kleineren Maßstab, und statt mit Söder kann man mit Fachleuten vom Bund Naturschutz und Greenpeace über Windkraft sprechen. Akustisch soll Söder zusammen mit Hubert Aiwanger aber anwesend sein. Versponnen in einen fachmännischen Dialog, wie man ihn ähnlich auch aus der BR-Fernsehsendung »Quer« kennt.
Damit wären wir auch beim Motto »Klar zur Wende« der diesjährigen Sommerausgabe des Festivals, das in den letzten Jahren wegen Corona gleicht dreimal (einmal im Sommer, zweimal im Winter) ins Wasser fiel. Im letzten Sommer fand es statt, aber mit Test- und Maskenpflicht und begrenzter Besucherzahl. Und auch die Konzerte in der Musikarena wurden abgesagt. Das bedeutete sicher merkbare finanzielle Verluste, über die Tollwood-Pressesprecherin Stefanie Kneer am Telefon aber nicht näher sprechen will. Die zum Festival gehörenden Gastronomen, Schausteller und Künstler hat das ohne Frage aber hart getroffen. Aber zurück zur »Wende«. Damit ist die Energiewende gemeint, die durch den Ukrainekrieg noch einmal eine neue Dringlichkeit gewonnen hat. So habe sich nun gezeigt, dass »erneuerbare Energien auch Friedensenergien« seien, wie Stefanie Kneer meint. Weil sie, wie es auch im Programmheft heißt, die Abhängigkeit von Russland und anderen Ländern reduzieren.
Die Ökologie, sie spielt auf Tollwood also wieder eine große Rolle. Das sieht man auch bei der »Kunst am Platz«, die in diesem Jahr von Gábor Miklós Szöke stammt. Der ungarische Künstler hat einen acht Meter großen Orcawal geschaffen, der von Müll umgeben ist und einen großen Reifen balanciert. Ein Sinnbild für das fragile Gleichgewicht der Natur, in das wir als Menschen ständig eingreifen. Hoch hinauf wagt sich auch Profi-Slackliner Friedi Kühne, der an den Festivalwochenenden mit Kollegen in knapp 15 Metern Höhe über Tollwood auf einem Gurtband (Slackline) balanciert. Sogar bis zum Mond geht es bei Luke Jerram hinauf. Das heißt umgekehrt: Der britische Künstler holt den Trabanten in seinem »Museum of the Moon« auf die Erde. Nach exakten Maßen und im Maßstab 1:500.000, mit der Besonderheit, dass er bei Jerram auch tagsüber scheint. Und ein weiterer Höhepunkt für Stefanie Kneer ist, dass am 21. und 22. Juni zum ersten Mal die Spider Murphy Gang bei Tollwood spielt. Denn obwohl beide Münchner Institutionen sind, ist die Band in 30 Jahren nie dort aufgetreten.
Tatsächlich sollten die Spiders bereits 2021 in der MusikArena sein. Aber ihr Konzert fiel genauso wie die der 32 anderen Musik-Acts aus. Und bis auf sieben davon hat es das Tollwood-Team geschafft, sie alle für Konzerte auch in diesem Jahr zu kriegen. Das heißt, Lionel Richie war leider schon verplant. Dafür holen Django 3000 ihr Konzert nach, Hubert von Goisern spielt, Revolverheld, Melissa Etheridge, Sido und Mark Forster treten auf. Auch Sting und Patti Smith stehen auf der Bühne. Als »guten Ausgleich« konnten sie, wie Kneer sagt, zudem Rea Garvey, Zaz, Hannes Ringlstetter, Vincent Weiß, Cro, BAP und die Simple Minds gewinnen. Mit etwas Glück bekommt man für all das noch Karten, die es für die Konzerte im Hacker Pschorr Brettl, Andechser Zelt und der Fassbar nicht braucht. Auch hier sind im Programm Highlights zu finden, wie etwa Philip Bradatsch, Soleil Bantu, Das Hobos oder Maxi Pongratz, die im Hacker Pschorr Brettl spielen. Und wer Blues mag, sollte Dr. Will & The Wizards und Muddy What? in der Fassbar nicht verpassen. Das Andechser Zelt wird übrigens 25 Jahre alt. Bleibt zu hoffen, dass Corona diesmal gnädig ist und die Geburtstagsparty nicht vermiest. ||
TOLLWOOD SOMMERFESTIVAL 2022
Olympiapark Süd | 16. Juni bis 17. Juli | verschiedene Zeiten
Tickets: 0700 38385024
Weitere Musik-Vorberichte finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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