Die Summer Jazz Weeks in der Unterfahrt richten den Blick auf die heimische Musikwelt. Keine schlechte Wahl.
Summer Jazz Weeks 2002
Das Hier und Jetzt
»Wir wollen mit jungen Jazzern der deutschen Szene anfangen«, meint Michael Stückl, verantwortlich für das Programm des Münchner Jazzclubs Unterfahrt. Gemeint sind die Summer Jazz Weeks, die von 22. Juli bis 10. September abbilden sollen, was sich derzeit an neuen Entwicklungen im Jazz tut und wer angesagt ist. Zu den Musikern, die den Auftakt bestreiten, zählt zum Beispiel die in Köln lebende ukrainische Sängerin Tamara Lukasheva, die schon mit dem jazztrompetenden Kuriositätenpionier Matthias Schriefl aus dem Allgäu kühne Experimente im Duo gewagt hat. Nach der Auftaktwoche mit den jungen Jazzern folgen Projekte mit Musikern, die mehrere Tage oder eine Woche »den Hut aufhaben«, also Freiraum für Experimente bieten. Da wäre etwa Matthieu Bordenaye. Der in München lebende französische Saxofonist hat mit »La traversée« ein feines, lyrisches Album bei Münchens Avantgardelabel ECM herausgebracht. Im Münchner Jazzclub Unterfahrt ist Bordenaye ab dem 2. August zu Gast. Am 8. August folgt die Ethno-Kultband Embryo, die von Marja Burchard geleitet wird. Man darf gespannt sein, wie sie das Erbe ihres Vaters, Embryo-Gründungsmitglied Christian Burchard, weiterführen wird, vor allem jetzt, nachdem auch der ehemalige Embryo-Gitarrist Roman Bunka gestorben ist und sich Erinnerungsstrukturen mit Ausblicken weiter mischen.
Für ein anspruchsvolles, überraschendes Repertoire steht auch der Pianist Vincent Meissner. Im vergangenen Jahr gewann der 21-Jährige spektakulär den Jungen Münchner Jazzpreis. Sein wuchtiges Spiel und seine Geläufigkeit – die beiden New Yorker Jazzpianisten Vijay Iyer und Brad Mehldau waren anfangs seine Vorbilder – versprechen ein spannendes Unterfahrt-Gastspiel dieses pianistischen Jungtalents (11.–13. August). Schon etwas länger bekannt in der Münchner Jazzszene ist der Vibrafonist Tim Collins. Mit Klavier und Schlagzeug hat er angefangen, bevor er zu seinem Instrument fand, auf dem er ebenso gerne Jazzklassiker wie Avantgardistisches spielt. Seit 2010 lebt der US-Amerikaner in der Landeshauptstadt und ab dem 16. August ergänzt er das Programm der Summer Jazz Weeks mit seinen erlesenen Mallet-Klängen.
Von der experimentellen Musik her kommt die Pianistin Marina Schlagintweit. Sie spielt ab 23. August Eigenkompositionen mit ihren Triofreunden, bevor sie in verschiedenen Besetzungen elektronische Klänge als etwas, wie sie sagt, »Taktiles und physisch Greifbares« auslotet. Als eine der vielversprechendsten Sängerinnen der deutschen Szene wird inzwischen Alma Naidu gefeiert, »zartelegisch, wunderschön klar und absolut intonationssicher« lobt sie das »Jazzthing Magazin«. Dem einen oder der anderen dürfte Naidu schon von der Jazzwoche Burghausen bekannt sein. Sie gibt der Unterfahrt von 30. August bis 3. September die Ehre. Und dann kommt noch der ebenso feine, wie brillant agierende Gitarrist Philipp Schiepek in die Unterfahrt. »Cathedral« heißt sein aktuelles CD-Projekt, das er beim Jazzlabel ACT im Duo mit dem unlängst verstorbenen Pianisten Walter Lang herausgebracht hat. In der Unterfahrt tritt der 28-Jährige vom 6. bis 10. September mit dem Quartett des Saxofonisten Moritz Stahl auf. Ein schönes Spektrum der Perspektiven also und mehr als ein Grund, in den Sommerwochen in den Untergrund des Einstein am Max-Weber-Platz und dort in den Jazzclub Unterfahrt einzubiegen. ||
SUMMER JAZZ WEEKS
Jazzclub Unterfahrt | 22. Juli bis 10. September | 20.30 Uhr | Tickets: 089 4482794
Weitere Vorberichte zu Konzerten in München gibt es in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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