Das Kino im Juni zeigt Rätselhaftes in Acapulco, Mörderisches in Rom, Verstörendes in Lüttich, aber auch das neueste Werk einer der interessantesten Regisseurinnen Deutschlands. Die kompletten Artikel und weitere Kurzkritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

Kino im Juni

Sundown

sundown

Neil (Tim Roth), seine Schwester Alice (Charlotte Gainsbourg) und deren Kinder Colin (Samuel Bottomley) und Alexa (Albertine Kotting McMillan) © Ascot Elite Entertainment

Dieser Neil Bennett, er ist in seiner passivaggressiven Konsequenz einer der unerhörtesten und zugleich verständlichsten Soziopathen der neueren Filmgeschichte. Sein Erbe interessiert ihn nicht die Bohne, er will bloß seine Ruhe. Manch einer wird Tim Roth in dieser alle Dramen schluckenden Gelassenheit kaum eine Performance zusprechen, doch die Seelenruhe, mit der er Neil alle vermeintlichen Probleme weglächeln lässt, ist schlichtweg atemberaubend. Selbst als Alice zurückkehrt und »Was zur Hölle ist los mit Dir?« brüllt, zuckt er nur leicht mit den Schultern und schlurft matt lächelnd in seinen ausgelatschten Flipflops zurück ins Hotel. Dass Franco dieses massive Familien- und Kapitalismusdrama wie sein Protagonist einfach ausblendet, ist ebenso radikal wie amüsant. (Sofia Glasl)

SUNDOWN – GEHEIMNISSE IN ACAPULCO
Mexiko, Frankreich, Schweden, 2021 | Drehbuch und Regie: Michel Franco | Mit: Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Iazua Larios, Henry Goodman | 83 Minuten | Kinostart: 9. Juni
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Dark Glasses

dark glasses

Im Reich der Dunkelheit: Ilenia Pastorelli als Diana | © Pierrot Le Fou

Wer nun mit dem Giallo-Genre nicht vertraut ist, wird hier sicher schnell überrumpelt, gelangweilt oder schlicht angewidert sein. Letzteres wahrscheinlich aufgrund der drastischen Gewaltausbrüche, die Argento gern in unbarmherzigen Nahaufnahmen inszeniert. Fast schon im Kontrast dazu stehen die Szenen, die in einem fast modischen Stilbewusstsein eingefangen sind und an die französische Cinéma-du-look-Bewegung erinnern. Es ist eben auch in »Dark Glasses« das, was schon Dario Argentos Klassiker wie »Suspiria« ausgemacht hat, die Nähe von Bahnhofs- und Programmkino. Und immer wieder gibt es auch hier Momente, in denen die Atmosphäre so dicht ist, dass man sie mit dem Schlachtermesser schneiden kann. (Matthias Pfeiffer)

DARK GLASSES
Italien, Frankreich 2022 | Regie: Dario Argento | Mit: Ilenia Pastorelli, Andrea Zhang, Asia Argento u.a. | 90 Minuten
Kinostart: 16. Juni
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A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe

kino im juni

Sie dachte, das würde ihr nicht mehr passieren: Anna und Adrian im Land der Liebe © Reinhold Vorschneider

Nicolette Krebitz: Ich hatte nach meinem vorherigen Film »Wild« dieses Mal einfach Lust, etwas Spaß zu haben. »A E I O U« ist in meinen Augen eine romantische Räuberpistole und ja, ich habe mich vom französischen Kino aus den 1960ern und 1970ern inspirieren lassen. Bei aller Leichtigkeit haben diese Filme aber immer auch etwas über die Wirklichkeit erzählt, Bewegung und Widerspruch erzeugt. Und dazu gehörten oft Ganoven und das Ringen um die Liebe. In unserem Film verliebt sich ein sehr junger Mann in eine sehr viel ältere Frau. Ich empfinde das wie ein Spiel mit verschiedenen Boxen, die wir im Kopf haben, und die werden ordentlich durcheinandergeschüttelt. (Interview: Simon Hauck)

A E I O U – DAS SCHNELLE ALPHABET DER LIEBE
Deutschland, Frankreich, 2022 | Regie: Nicolette Krebitz
Mit: Sophie Rois, Udo Kier, Milan Herms. Nicolas Bridet u.a.
104 Minuten | Kinostart: 16. Juni
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Animals

kino im juni

Soufiane Chilah als Brahim | © Drop-Out Cinema

Der gut aussehende Mittdreißiger Ihsane Jarfi verschwindet nachts spurlos. Als homosexueller Muslim war er kurz zuvor noch vor einer LGBTQ*-Bar gesehen worden, ehe er bei vier jungen Männern ins Auto stieg. Zwei Wochen später wird sein Leichnam in einem Waldstück gefunden: nackt und schwer verstümmelt. Kurze Zeit später wurden die vier stark alkoholisierten Fahrer festgenommen. Was dann unter großem medialem Getöse folgte, war nichts weniger als der erste belgische Gerichtsprozess wegen »homophoben Mordes« mitsamt Verurteilung der Täter. […] Nun hat der belgische Regieautodidakt Nabil Ben Yadir, der sich in seiner Heimat mit dem Indiefilm »Die Barone« einen Namen gemacht hatte, denselben Stoff als »Animals« noch einmal in brutal verstörender Inszenierung für die Kinoleinwand adaptiert. Zusammen mit Nanouk Leopols glänzendem Stammkameramann Frank van den Eeden (»Cobain«/»Oben ist es still«/»Brownian Movement«) ist ihm damit ein äußerst schmerzhafter Film gelungen, der sich in seiner direkten Personenregie sowie in seinem schonungslosen Realitätsfetischismus wie ein K.-o.-Faustschlag von Mike Tyson anfühlt. Denn in diesen 91 unerträglichen Minuten führt das Böse im Menschen Regie. (Simon Hauck)

ANIMALS
Belgien, 2021 | Regie: Nabil Ben Yadir | Mit: Soufiane Chilah
91 Minuten | Kinostart: 23. Juni
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