Der iranische Filmemacher Majid Majidi lässt in »Sun Children« Straßenkinder die Utopie von Bildung erleben.

Sun Children

Schatzsuche in der Schule

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Hat gelernt, sich durchzuschlagen: der Straßenjunge Ali, gespielt von Rouhollah Zamani | © Majidi Film Production

Selbst die unzugänglichsten Schleichwege durch die Gassen von Teheran kennt der 12-jährige Ali wie seine Westentasche. Der Straßenjunge hat gelernt, sich mit Witz und Geschick durchs Leben zu schlagen, und hat sich zum Anführer einer Kindergang gegaunert, die für den örtlichen Gangsterboss Aufträge erledigt. Ali hat nur noch seine Mutter, doch die liegt in der Psychiatrie. Sein Chef hat ihm versprochen, sie herauszuholen und ihnen eine Unterkunft zu besorgen, wenn er für ihn arbeitet.

Der iranische Filmemacher Majid Majidi, 1999 mit »Kinder des Himmels« für einen Oscar nominiert, erzählt ein weiteres Mal aus dem Leben vergessener Außenseiter in Teheran. Die Straßenkinder in »Sun Children« sind durch sämtliche Raster des staatlichen Bildungs- und Sozialsystems gefallen. Rassismus, Klassenunterschiede und Ausbeutung sind für sie alltägliche Begleiter.

Die Sun School ist für sie ein sicherer Ort und Ersatzfamilie in einem. Das gemeinnützige Projekt in Teheran ermöglicht ihnen Bildungschancen und einen Weg zurück in die Gesellschaft. Ali und seine Freunde betteln den Rektor an, sie auch zwei Wochen nach Schulbeginn noch aufzunehmen. Sie seien doch allesamt gleichberechtigt, deshalb könne er sie nicht des Schulgeländes verweisen, argumentiert Ali ungestüm. Der Lehrer Rafie setzt sich für sie ein, er erkennt sich selbst in den Kindern wieder und will sich auf die Suche nach ihren Talenten machen.

Dass die vier Jungs auf Schatzsuche für ihren Boss sind, kann er nicht ahnen. Direkt unterhalb der Schule solle ein großes Vermögen vergraben liegen. Ali und seine Freunde wurden geschickt, um es zu heben. Womit die Kinder jedoch nicht gerechnet haben: Die Schule erweist sich als Alternative zur Kriminalität – Alis Kumpel Reza entpuppt sich als Fußballtalent und Abolfazl ist besonders mathematikbegabt.

Was klingt wie eine Kreuzung aus Charles-Dickens-Roman und Disney-Film, lässt berührenden Sozialrealismus und utopischen Abenteuerfilm aufeinanderprallen: Die Kinderdarsteller sind allesamt Laien – Majidi castete sie auf den Straßen von Teheran. Ihre reale Schatzsuche lässt er nach und nach zur Selbstfindung und Selbstermächtigung werden, ohne diese gänzlich in Kitsch und Melodram abdriften zu lassen. Denn die durchaus didaktische Message des Films wird letztlich von der Beschwörung der kindlichen Neugierde überstrahlt: Ali und seine Kumpels konnten sich diese trotz ihres harten Lebens erhalten und sind deshalb in der Lage, das Angebot eines Auswegs zu erkennen. ||

SUN CHILDREN
Iran 2020 | Regie: Majid Majidi | Mit: Rouhollah Zamani, Mahdi Mousavi, Javad Ezzari
99 Minuten | Kinostart: 5. Mai
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