Mit seiner intensiven Langzeitstudie »Vier Sterne plus« porträtiert das Doku-Duo Antje Schneider und Carsten Waldmann einen charismatischen Innovator, der das marode Gesundheitswesen von Grund auf revolutionieren will.

Vier Sterne Plus

One-Man-Show eines Visionärs

vier sterne plus

Von der Krankenpflege ins Management führte David-Ruben Thies’ Karriereweg, …

David-Ruben Thies ist besessen, besessen von der Idee, das Krankenhaus der Zukunft zu schaffen, ein Hospital, das mehr einem Viersternehotel gleicht, sowohl was die Architektur betrifft als auch das Innenleben, mit komfortablen, gestylten Zimmern, einem zertifizierten Biorestaurant und – im Idealfall – einem begehbaren Humidor! Auf diesen Mann mit seiner ebenso schrägen wie visionären Idee wurde das Regieduo Antje Schneider und Carsten Waldbauer aufmerksam, als die beiden in Thies’ »alter« Arbeitsstätte im thüringischen Eisenberg für den MDR zwei Staffeln der Dokusoap »Die Waldklinik« drehten.

»Die zwei ließen sich meinen neuen Plan schildern«, so Thies, »und fanden ihn so schrill und so kontrovers, dass sie mich gefragt haben, ob ich Interesse hätte, bei einem Dokumentarfilm mitzumachen.« Wohl wissend um die mediale Außenwirkung eines derartigen Projekts, erklärte sich der gelernte, mittlerweile im Management tätige Krankenpfleger dazu bereit, sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren von der Kamera begleiten zu lassen. Herausgekommen ist eine intensive Langzeitstudie, ähnlich jener, die Schneider und Waldbauer bereits 2013 realisierten. Bei »Die schöne Krista«, die es immerhin in die Vorauswahl des Deutschen Filmpreises schaffte und für den Grimme-Preis nominiert wurde, stand damals allerdings eine Kuh im Mittelpunkt. Nun, in »Vier Sterne plus«, gilt die ungeteilte Aufmerksamkeit David-Ruben Thies. Während der Neubau des Luxuskrankenhauses von den ersten Plänen bis zur Fertigstellung als roter Faden dient, sieht man den charismatischen Macher, der das seit Jahrzehnten marode deutsche Gesundheitswesen in seinen Grundfesten erschüttern will, beim Verhandeln mit hochrangigen Politikern und Besprechungen mit seinen Teammitgliedern oder auf zahllosen Auslandsreisen, die ihn unter anderem über Holland und Italien bis nach Vietnam führen, wo er weitere Inspirationen für seine Idee zu finden hofft. Denn schließlich, so Thies, »kommt Weltanschauung von Welt anschauen.Und dafür muss man sich bewegen. Wenn ich still herumsitze, dann habe ich doch gar nicht die Chance, irgendwelche Innovationen zu entdecken, die es auf dieser tollen Welt schon gibt.

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… heute möchte er das Gesundheitswesen reformieren | © M. Krummich

Schneider und Waldbauer nutzen denn auch die Freiheiten, die sich ihnen bei »Vier Sterne plus« boten, zeigen Thies in Aktion, beim Konferieren, Kontaktieren, Kooperieren, aber auch die schwierigen Momente, wenn einmal etwas nicht so läuft, wo man einen in sich gekehrten, sinnierenden Protagonisten sieht, der sich bei einer Zigarette eine kurze Auszeit verschafft. Sehenswert ist dies vor allem deshalb, weil »die beiden«, so Thies, »es geschafft haben, während des Drehs unsichtbar zu werden. Sie waren Teil des Teams, immer mit im Raum, haben sich aber eher wie eine Zimmerpflanze verhalten und uns dabei ganz normal unsere Arbeit machen lassen. Da war nichts gestellt.«

Zu dieser Authentizität gesellt sich zudem eine gewisse Ästhetik. Denn das Dokumentarduo weiß immer wieder die vielen illustren Auslandsschauplätze sowie das von dem renommierten Architekten Matteo Thun geschaffene Krankenhaus von morgen in visuell ansprechende Bilder zu packen. Dass der Film dennoch zu keiner makellosen Success Story geriet, hat andere Gründe. Denn wie so vielen anderen machte Corona auch diesem Vorhaben einen gehörigen Strich durch die Rechnung. So gab es zum Abschluss eben keine große Eröffnungsfeier mit Pomp und Trara, und viele der zukunftsweisenden Räumlichkeiten wie etwa das Biorestaurant oder der Humidor konnten noch nicht genutzt und somit auch nicht im Bild gezeigt werden. »Vier Sterne plus« ist zwar das beeindruckende Porträt eines Mannes mit Ecken und Kanten, mit großem Enthusiasmus und voller Energie geworden, über den Menschen David-Ruben Thies, der sich auch gerne als leidenschaftlichen Kämpfer gegen den Gesundheitswesen-Goliath sieht, erfährt man jedoch letztlich wenig. Kurz erwähnt er zwar die unorthodoxen Erziehungsmethoden seiner Mutter, erzählt, dass er in Florenz zur Schule ging und Vater von zwei Töchtern ist. Darüber hinaus offenbart er am Klavier sein musikalisches Talent und gibt Einblick in sein Privatleben, wenn er das Kamerateam in sein »Häuschen« in der Toskana einlässt, wohin er sich für ein halbjähriges Sabbatical zurückgezogen hat. Das ist alles. Hier wäre also mehr ausnahmsweise auch mehr gewesen. ||

VIER STERNE PLUS
Deutschland 2022 | Buch und Regie: Antje Schneider | Mit: David-Ruben Thies u.a.
94 Minuten | Kinostart: 14. April
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