Eine Hommage an den BR-Filmemacher Dieter Wieland.

Dieter Wieland

Der Unbestechliche

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Dieter Wieland etablierte mit seinen Filmen beim Bayerische Rundfunk die Hohe Kunst des Aneckens und Aufdeckens. Sein filmisches Werk hat der BR nun dauerhaft zugänglich gemacht | © BR (5)

»Kunst kommt nicht von Können, sondern von Kontern.« Mit Herbert Achternbuschs blitzgescheitem Bonmot bewaffnet hat der 1937 in Berlin-Dahlem geborene Dieter Wieland ein nicht nur in Bayern einzigartiges Œuvre geschaffen. Über 250 Filme hat er seit den frühen Sechzigern für das Bayerische Fernsehen in mahnender Weise gedreht: »Ein Kahlschlag geht durch das Land. Noch nie hat eine Generation so viel Landschaft verbraucht, so viele Bäume gefällt, Natur bereinigt, begradigt, planiert und zugeschüttet.« Viele davon wie »Grün kaputt – Landschaft und Gärten der Deutschen« (1983), aus dem dieses Zitat stammt, oder »Unser Dorf soll hässlich werden« (1975) und »Die große Kunst, ein kleines Haus zu bauen« (1988) sind längst Klassiker eines kritisch-engagierten Fernsehens, wofür der Bayerische Rundfunk in seinen frühen Glanzzeiten stand und was beim Blick ins derzeitige Programmschema nach einer neuen TV-Revolution schreit. »Wir haben das Fernsehmachen verlernt. In diesem genialen Medium geht es nicht ums Kochen oder belangloses Blabla! Überhaupt muss heute alles vorher als Skript abgegeben werden. Da würde ich sofort aus dem Raster fallen«, unkt Dieter Wieland gegenüber seinem Haussender.

Nach einer kleinen Werkschau im Filmmuseum München (2012) und ersten Wiederholungen seiner berühmtesten wie berüchtigtsten Arbeiten wie »Der Jodlerstil« (1984) oder »Der Zaun« (1995) auf ARD-alpha, hatten nun auch die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen den mittlerweile 84-jährigen Unruheständler noch einmal ausgiebig im Programm sowie mit spannenden Video-Talk-Formaten gewürdigt. Seit Kurzem sind endlich die meisten seiner aufsehenerregenden Fernseharbeiten (»Verkehrsweg Inntal«, »Flurbereinigung – die maschinengerechte Landschaft«, »Bauen und Bewahren – Die Farbe«, »Mecklenburg – Dorfkirchen in Not«) wieder zugänglich und unter über den BR langfristig abrufbar.

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Schnell hat man wieder diesen unverkennbaren Dieter-Wieland-Touch vor Augen wie in den Ohren: Mit melodiös-sonorer, zwischen Reflexion und Angriffslust mäandernder Kommentarstimme, die er bereits als junger Fernsehmacher einsetzte, zieht der in Uffing am Staffelsee wohnende Autorenfilmer gleich wieder vom Leder. »Die meisten Bomben fielen erst in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren über die bayerischen Städte«, wettert der in Landshut aufgewachsene Wahlbayer im Interview mit dem Leiter des Oberhausener Filmfestivals.

»Wie konnte man kurz vor dem Denkmalschutzgesetz noch Alleen beseitigen, einen gesichtslosen Straßenbau beginnen und am Modell der autogerechten Stadt festhalten, die zu ungeheurer Ödnis und der Verschandelung Bayerns geführt hat?« Mahnend-zornig im Tonfall, missionarisch-hellsichtig in seiner Tragweite und bisweilen spitzzüngig, mit staubtrockenem Humor lässt sich Dieter Wieland damals wie heute nicht den Mund verbieten. Er prangert an, zeigt hin, lehrt hinzuschauen, präsentiert aber stets auch Schönheit und Qualität, an der es allerdings hierzulande mangelt: Das ist sein Lebensmovens.

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Dafür wurde er in den vergangenen Jahrzehnten zu Recht geehrt, am Ende sogar mit dem Bayerischen Verdienstorden, den er aus den Händen Edmund Stoibers erhielt, ehe er ihn zu Hause postwendend seiner geliebten Heiliger-Nepomuk-Figur um den Hals hing. Schließlich hatte er sich als Fernsehmacher, Dokumentarfilmer, Journalist und Buchautor »immer wieder mit den höchsten politischen Kalibern« angelegt. »Da waren Minister dabei, Staatssekretäre und natürlich auch Ministerpräsidenten« wie Franz Josef Strauß, der ihn gar nicht leiden konnte, aber dessen innerer Zirkel ihn am Ende sogar als Redenschreiber gewinnen wollte, was Dieter Wieland gottlob ablehnte.

»Ich kann so schlecht lügen. Bestechlich bin ich nicht und verstellen möchte ich mich schon gar nicht«, schleuderte er dem verdutzten Strauß-Tross entgegen. Denn angreifen konnte Dieter Wieland schon von klein auf. Er war ein lebhafter, aber behüteter Bub, der zu Hause mit Kunstbänden aufwuchs.Schließlich hatte Wielands Großvater südamerikanischen Urwald gerodet und es sein Vater als Tourismusmanager zu etwas gebracht, was Wieland als familiäre Bürde empfindet.

An seinem achten Geburtstag wurde Würzburg zerstört. Als Kriegskind musste er den Bombenhagel über Berlin erleben. Die aufgedeckten Nazigräuel sowie die historische Schuld der Deutschen, die »pingelig sind und dadurch hochgefährlich sein können«, sind ihm ein Lebensthema geblieben. Die hohe Kunst des Aneckens und Aufdeckens zelebrierte die damals 43-jährige TV-Legende bereits mit seinem filmischen Skandalon »Landshut oder hat die Schönheit eine Chance?« von 1973, die ihn im Sender beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte.

In wegweisenden Sendungen wie diesen attackierte er bereits in den Siebzigern die Zersiedelung der Kommunen, die Verhunzung historischer Plätze sowie die Zerstörung gewachsener Altstadtzeilen nur wegen des schnellen Profits und aufgrund billigerer Baumaterialien. Überhaupt mischte er sich in die wirtschafts- und sozialpolitischen Großkampfthemen dieser retrospektiv »gar nicht so griabigen Zeit« permanent ein: Ob trostlose Toskana-Villen im bayerischen Oberland, flächenfressende Gewerbegebiete vom Reißbrett, landschaftsarchitektonische Auslöschungen wie der 1960 begonnene MainDonau-Kanal oder die umstrittene »Flurbereinigung«, deren Umsetzung damals quasi an jedem Familientisch zwischen Würzburg und Oberstdorf hitzig diskutiert wurde. Das war in einer Zeit, als »Alternative« und Umweltschützer nicht nur in der Bayerischen Staatskanzlei als »gefährliche Spinner« abgekanzelt wurden. Zusammen mit seinem Kreativpartner Hermann Reichmann hinter der Kamera kreierte er eine einprägsame audiovisuelle Grammatik. Mit Zeit für Schwenks, Zooms und ruhige Fahrten, aber auch mit Supertotalen sowie präzisen Details schuf das Dreamteam Wieland/Reichmann einen unverwechselbaren Stil. Dazu kam Wielands ungeheure Sprachgewalt, mit der er frühzeitig zum besten Texter des deutschen Fernsehens avancierte: »Kennen’s das neue Bayern? Bayern im Landhausstil. Oberbayern, Hochglanzbayern, Superbayern. Super Weiß-und-Blau. Das klassische Ensemble. Rundbogen, Schmiedeeisen, Wognradl, Blaufichte, Jägerzaun … Bayern griabig, mit viel Schmalz, rustikal. Die Häuser in der Lederhosn. Bayern im Jodlerstil.«

Nein, bloß nicht, möchte man da sofort erwidern. Dagegen muss man damals wie heute entschieden aufstehen. Dafür hat Dieter Wielands Lebenswerk einen signifikanten Beitrag geleistet. Vielen Dank, Sie Vorzeigeaktivist. Bleiben Sie bitte noch lange im Unruhestand: sozusagen als aufklärerisches Korrektiv. Bayern braucht das – mehr denn je. ||

Die Filme Dieter Wielands sind dauerhaft beim Bayerischen Rundfunk abrufbar

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