Jazz in München hat einen Link in die Mongolei. Das liegt auch an einem Bassisten: Martin Zenker.

Martin Zenker: Zwischen Shanghai und Irkutsk

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Der Bassist und Ehren-Mongole Martin Zenker | © Ralf Dombrowski

Den Bassisten Martin Zenker zog es in die Ferne, nicht nach Amerika wie die meisten Jazz-Kollegen, sondern nach Asien, nach Korea und in die Mongolei. Von dort brachte er nicht nur musikalische, sondern auch organisatorische Ideen mit, die letztlich ein wichtiger Anstoß waren, dass die Hochschule für Musik und Theater inzwischen mit dem Konservatorium von Ulan Bator kooperiert. Und die mongolischen Student*innen gehen selbstbewusst ihrer Wege, so erfolgreich, dass sie beim diesjährigen Kurt Maas Jazz Award die vorderen Ränge belegten, der Bassist Munguntovch Tsolmonbayar auf Platz zwei und die Pianistin Stuten Erdenebaatar an der Spitze. Ein guter Anlass also für ein Gespräch mit Martin Zenker, der als Dozent in München, Ehrenprofessor in der Mongolei und auch sonst noch vieles vorhat.

München, Jazz und Mongolei, das liegt nicht gleich auf der Hand. Wie fing alles an?
Ich war 2008 bis 2012 in Korea an der Uni. Von dort aus bin ich 2010 als Tourist in die Mongolei gefahren und habe auch geschaut, ob es dort Jazz gibt. Tatsächlich gab es einen Menschen, Ganbat, und der veranstaltete einmal im Jahr mit Hilfe der örtlichen Kulturinstitute irgendwas mit Jazz. Letztlich musste man sein Geld selbst mitbringen, aber immerhin. Er lud uns dann für 2012 ein, das Goethe-Institut half mit. Wir haben gespielt und an der Hochschule in Ulan Bator einen Workshop gegeben, die sich bis dahin ausschließlich der Klassik und der traditionellen Musik gewidmet hatte. Das kam sehr gut an, wir wiederholten es ein paar Mal, und dann habe ich mit dem Goethe-Leiter zusammen einen Plan ausgearbeitet, wie man das Ganze institutionalisieren könnte.

Von dort bis zu einem Studiengang ist es aber ein langer Weg.
Wir haben den Studiengang aufgebaut und sind innerhalb von rund drei Jahren bis zur Akkreditierung, zur Anerkennung gekommen. Letztlich haben wir bei Null angefangen, aber gleich nach internationalen Partnern gesucht. Die klassische Abteilung war gut aufgestellt, die Abteilung für mongolische Musik natürlich hervorragend, aber im Jazz haben wir noch Kompetenz gebraucht. Wir haben immer Dozenten eingeladen, viele eben aus München, auch wenn wir oft nicht genau wussten, wie wir sie bezahlen sollten. Aber es klappte und 2018 nahmen wir dann eine große Hürde, als das Konservatorium international anerkannt wurde. Im Anschluss daran konnten wir einen Partnerschaftsvertrag mit München schließen, der dann mit Leben erfüllt werden sollte.

Wie lief das im Einzelnen?
Damals waren bereits fünf Student*innen regulär in München bei Jazz eingeschrieben und wir versuchten, das zu erweitern. Wir haben uns beim DAAD für das ISAP-Austausch-Programm beworben, im März 2020 den Zuschlag bekommen und das bedeutet unter anderem, dass man vier Student*innen bilateral für jeweils zwei Semester und drei Lehrkräfte für jeweils drei bis sechs Wochen austauschen kann. Ein enormer Aufwand, dass zum Beispiel auch die Credits der Universitäten vergleichbar gewertet werden können, aber die ersten mongolischen Austauschstudent*innen konnten dann, trotz Corona, im vergangenen September nach München kommen. Der Austausch in die andere Richtung musste verschoben werden und startet jetzt hoffentlich im kommenden Herbst. Inzwischen haben wir elf mongolischen Student*innen am Jazzinstitut.

Wie sieht es aus mit Interesse auch in anderer Richtung?
Das Interesse ist sehr groß. Wir schicken jetzt sogar fünf Student*innen nach Ulan Bator, auch Leute, die sich für die traditionelle Musik der Mongolei interessieren. Lehrer sowieso, die sich drei Wochen fortbilden wollen. Im Kern ist es ein Bachelor-Studium, das international von den Punkten, den Credits, her genauso anerkannt ist wie das Studium hier in München.

Was ist schon daraus entstanden?
Oh, die Student*innen sind sehr aktiv. Den Bassisten Tovcho zum Beispiel, den trifft man überall, ebenso den Drummer Khusleen, die Sängerin Enji ist auch sehr aktiv. Sie mischen sich in die Szene und bringen ihre eigene Persönlichkeit und Kultur mit. Wir hatten außerdem in der Mongolei ein Programm, wo beispielsweise Sam Hylton mongolische Musik arrangiert und mit einer Small Big Band, Streichern und traditionellem Instrumenten aufgenommen hat. Wir haben ganz viele Ideen und positionieren uns jetzt, während der CoronaZeit, um für die Zeit danach gewappnet zu sein.

Was hast Du persönlich mitgenommen?
Vor sechs Jahren sind wir mit einem Plan für einen Studiengang angetreten und haben sowohl in Richtung Goethe-Institut als auch in Richtung Studierende versprochen, einen professionellen Studiengang mit Berufsaussicht aufzubauen. Es war für mich enorm anstrengend, aber auch das Belohnendste. Schon weil die Leute dort wirklich hungrig nach der Musik sind. Inzwischen gibt es in Ulan Bator einen Jazzclub, »Fat Cat«, der läuft ganz gut, schon weil die Menschen eine enorme Leidenschaft für die Musik und auch für das Team entwickeln. Von dieser Freude habe ich viel auch für mich wieder gelernt.

Gab es vor Ort auch Gegenwind?
Natürlich, wir kamen an mit unseren Ideen und die haben erst einmal gedacht: Was machen die da, die Jazz-Clowns? Es ist eine strenge, russisch geführte Schule, und allein schon zu erklären, dass wir nicht um 8 Uhr, sondern um 11 Uhr anfangen, weil wir ja abends spielen, gab lange Diskussionen. Aber wir konnten durch die internationalen Kooperationen punkten, die ja die ganze Hochschule betreffen. Irgendwann waren wir erfolgreich, inzwischen sind wir ein Aushängeschild des Konservatoriums. Und es ist sicherlich auch die beste Jazzabteilung zwischen Shanghai und Irkutsk. Ich habe sogar den zweithöchsten Staatsorden für Kulturschaffende und eine Ehrenprofessur verliehen bekommen. Bei der Zeremonie sprach dann neben dem Direktor der Schule und mir der Premierminister. Inzwischen sind wir mit dem Jazz in der Mongolei sehr hoch aufgehängt. ||

HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND THEATER /5. KURT MAAS JAZZ AWARD

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