Abdullah Karaca spitzt Ingeborg Bachmanns »Probleme Probleme« zur Groteske zu.
»Probleme Probleme«: Ein Leben für die Frisur
Die Bühne ist verhüllt in Plastikfolie. Vincent Mesnaritsch hat eine sterile Welt geschaffen, von Podesten in verschiedenen Größen und Höhen strukturiert. Leise ertönt »An der schönen blauen Donau« von Johann Strauss (Sohn). Ein Telefon klingelt abrupt, drei mit Folie zugedeckte Gestalten fallen unsanft von den Podesten auf den Boden. Jakob Immervoll, Henriette Nagel und Max Poerting sehen aus, als wären sie einem expressionistischen Film entsprungen. Elke Gattinger hat ihnen schwarz-weiße Kostüme verpasst und sie düster geschminkt. Alle drei spielen sie die Beatrix, die Hauptfigur in Ingeborg Bachmanns Erzählung »Probleme Probleme«.
Abdullah Kenan Karaca hat den Text fürs Volkstheater adaptiert und zeigt mal wieder, wo seine Stärken liegen: das Absurde im Alltäglichen offenzulegen, Menschen zu zeigen, die einen in all ihrer Skurrilität berühren, zum Lachen, aber auch zum Verzweifeln bringen können. Bachmanns Text ist da eine gute Wahl. Denn diese Beatrix lebt ihr Leben in einem Schwebezustand zwischen Wahnsinn und Entspannung, irgendwo sehr weit entfernt von dem, was wir für gewöhnlich Alltag nennen. Sie möchte vor allem ganz vieles nicht tun: aufstehen, arbeiten, reden. All das empfindet sie als »Belastung«, was übrigens ihr Lieblingswort ist. Sie will schlafen, zum Friseur gehen und ihr Techtelmechtel mit Erich pflegen, der eine suizidgefährdete Frau daheim hat und deswegen ohne Aufforderung den nötigen Abstand wahrt. Denn Berührungen, diese »grauenhafte Normalität«, in der man sich gegenseitig auszieht und anzieht, das ist nichts für sie.
Die Schauspieler*innen ziehen einen in den merkwürdigen Mikrokosmos der Beatrix, in dem ein ausgiebiger Tag beim Friseur wichtiger ist als regelmäßiges Essen. Und in dem eine durch die falsche Angestellte durchgeführte Haarwäsche zum Horrortrip werden kann. Karaca zelebriert diese abstrusen Momente als schauriges Schattentheater. Statt Handtüchern türmen sich die drei Beatrix barocke Folientürme auf die Köpfe. Der Regisseur mag es artifiziell, grell und expressiv. Manchmal wirkt das übergestülpt, hier aber bringt es die Vorlage zum Leuchten. Karaca setzt auf groteske Übertreibungen und spitzt das Gewöhnliche zu, bis es monströs wird. Immervoll, Nagel und Poerting reden über Frisuren und doch irgendwie über das ganze Leben. Es gibt an diesem Abend einige dieser magischen Theatermomente, in denen aus nichts alles wird. Oder eben aus einem missglückten Make-up die Katastrophe, die ein fragiles Lebensgerüst zum Einstürzen bringen kann. ||
PROBLEME PROBLEME
Volkstheater | Brienner Str. 50 |16. Okt., 30 Okt., 9. Nov. | 20 Uhr
Tickets 089 5234655
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