Uisenma Borchus zweite Regiearbeit »Schwarze Milch« hinterlässt einen spröden Eindruck.
»Schwarze Milch«: Die Kluft zwischen Schwestern
Ob Erdbeeren mit Vanilleeis oder Schwarzwälder Kirschtorte – für die unbändige Lust an manchen Speisen hält die deutsche Sprache die Redewendung »Da könnte ich mich reinlegen« bereit. In Uisenma Borchus neuem Spielfilm veranschaulicht die von der Regisseurin selbst gespielte, im Westen sozialisierte Wessi ihrer Schwester Ossi anhand von Milch dieses Sprichwort. Doch Ossi erklärt ihr, dass Milch in der mongolischen Kultur für etwas Elementares steht. Darin zu baden? Nicht auszudenken.
Die »Schwarze Milch« des Filmtitels hat also nichts mit dem Getränk zu tun, welches Paul Celans lyrisches Wir in seinem Gedicht »Todesfuge« morgens, mittags, abends trinkt. Eher steht sie für die Kluft, die sich zwischen den Schwestern aufgetan hat, seit Wessi in Deutschland lebt. Dort sehen wir sie zu Beginn in einer rauen Bettszene mit ihrem Liebhaber. Er (Franz Rogowski) traut ihr nicht zu, in die Mongolei zu fliegen. Seine Figur scheint nur den Zweck zu erfüllen, von Wessi links liegen gelassen zu werden, denn sein »Du gehörst mir« bleibt folgenlos. Nach vielen Jahren besucht sie ihre Familie in der Mongolei, vor allem ihre Schwester Ossi (Gunsmaa Tsogzol), die schwanger ist.
Uisenma Borchu, die Dokumentarfilm an der HFF studierte, hat nach dem preisgekrönten »Schau mich nicht so an« nun ihren zweiten Spielfilm gedreht. Er kreist um den Konflikt zwischen Moderne und Tradition, verkörpert in den beiden Schwestern – die ihre Sturheit verbindet. Wessi lebt nicht nur zwischen den Kulturen, sie ist auch eine sinnliche Frau. Ossis eremitischer Nachbar Terbisch hat es der Rückkehrerin angetan, wenngleich er einige Jahre älter sein mag. Auf der diesjährigen Berlinale lief »Schwarze Milch« in der Sektion Panorama. »Schwarze Milch« ist ein sprödes Werk, dessen eigenwillige Heldin es einem nicht leicht macht, sie zu mögen. Oder nur zu verstehen: Was genau treibt Wessi wieder in die Mongolei? Sie scheint das Selbstverständnis der dortigen Gesellschaft im Alleingang auf den Kopf stellen zu wollen. Regisseurin Borchu arbeitet viel mit ethnografischen Einsprengseln, wie der minutiös beobachteten Schlachtung einer Ziege. Am Ende lässt der Film mit seiner kargen Arthouse-Exotik voller Nomaden und Jurten den Zuschauer etwas ratlos zurück. ||
SCHWARZE MILCH
Regie: Uisenma Borchu | Mit: Uisenma Borchu, Gunsmaa Tsogzol u.a. | 92 Minuten | Kinostart: 23. Juli
Trailer
Unsere aktuelle Ausgabe:
Verkaufsstellen
Online-Kiosk
ikiosk.de
Sie bekommen die aktuelle Ausgabe gratis zu jedem Kauf bei den folgenden Buchhändlern.
Das könnte Sie auch interessieren:
Fünf Seen Filmfestival 2024: Wie es weitergeht
Wir könnten genauso gut tot sein: Ab heute im Kino
Christof Weigold: Ein Spaziergang mit dem Hardy Engel-Autoren
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton