Robbert Eggers hat mit »Der Leuchtturm« ein verstörendes Endzeit-Kammerspiel erschaffen – und ein dunkeldröhnendes Meisterwerk.

Willem Dafoe und Robert Pattinson als Seebären in karger Landschaft © Universal Pictures Germany

»Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen«, lautet ein Zitat von Konfuzius. Dumm nur, wenn man gerade von diesem Licht wahnsinnig wird. In Robert Eggers’ Geniestreich »Der Leuchtturm« gibt es sehr viel Dunkelheit, die sich verfluchen lässt. Die titelgebende Lichtquelle ist es aber, die seinen Figuren den Rest gibt.

Der abgehärtete Seebär Thomas Wake (Willem Defoe mit Höchstleistung) und sein neuer Helfer Ephraim Winslow (Robert Pattinson) wurden in einer düsteren Küstenlandschaft ausgesetzt, wo sie den titelgebenden Leuchtturm warten sollen. Wake entpuppt sich schnell als autoritärer Tyrann, der seinen Untergebenen mit Beleidigungen, Flatulenzen und Seemannsgarn an den Rand des Wahnsinns treibt. Der introvertierte Winslow, ehemals Holzfäller in den Wäldern Kanadas, quält sich täglich durch die Drecksarbeit, während sein Vorgesetzter sich im Turm einschließt und sich von der Linse in andere Sphären transportieren lässt.

Nicht nur die Handlung riecht nach Katastrophe. Das Verderben fließt aus jeder Pore der Leinwand. Eggers’ Setting ist ein menschenfeindliches Höllenloch, dessen Schwarz-WeißBilder das Publikum unter sich erdrücken. Die Ruinen der Vegetation, die kreischenden Möwen, selbst das Innere der Latrine – in allem zeigt sich der Untergang. Passend dazu dröhnt einem immer wieder ein Nebelhorn entgegen, schon mehr eine Posaune am Jüngsten Tag. Diese Welt ist für Happy Ends nicht geschaffen. Die Zuschauer verinnerlichen das sehr schnell, nur die Charaktere wollen es noch nicht wahrhaben.

So gibt es auch keine Entspannung, als die Stimmung doch noch aufklart. Kurz vor der Abreise wird geplaudert, gescherzt und gesoffen, alle Zeichen stehen auf Männerfreundschaft. Doch dann, als wolle die Natur sich ihren Fang nicht nehmen lassen, zieht ein schwerer Sturm auf, der die beiden an ihrer Todesküste einschließt. Bis zu ihrer Befreiung können Monate vergehen. Paranoia wird zum ständigen Begleiter, Alkohol zum Grundnahrungsmittel und die Zwietracht zum Hauptantrieb. Daneben beginnen sexuelle Wahnvorstellungen ihre Kreise immer enger um Winslow zu ziehen. Der sieht in der grellen Linse die buchstäbliche Erleuchtung, die Wake aber um jeden Preis verteidigen will. Dazu schiebt sich die düstere Vergangenheit der Gefangenen stärker in den Vordergrund, bis schließlich auch deren Identitäten immer mehr verschwimmen.

»Der Leuchtturm« zeigt den Verfall zweier Menschen auf eine drastische und diabolische Art, die selten im Kino zu sehen ist. Eggers hat mit erdrückender Atmosphäre und starkem Symbolismus einzigartigen Psychohorror geschaffen, dessen Wirkung niemanden kalt lassen kann. Dabei ist es nebensächlich, ob man fasziniert oder verstört ist. Er erschafft hier einen Mikrokosmos, in dem Schuld, Begierde und Sehnsucht herrschen, darüber thront die vermeintliche Erlösung, mehr blendend als strahlend. Ein wahrer Lichtblick im ausklingenden Kinojahr 2019. ||

DER LEUCHTTURM
USA 2019 | Regie: Robert Egger | Mit: Robert Pattinson, Willem Dafoe u. a. | 110 Minuten | Kinostart: 28. November
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