Die Teeniekomödie »Booksmart« räumt mit Geschlechterklischees auf und dekonstruiert genüsslich das Highschoolfilm-Genre.

Beani Feldstein (l.) und Kaitlyn Dever in »Booksmart« © Annapurna Pictures LLC

Molly Davidson sitzt auf dem Schulklo und kann nicht anders als die Rechtschreibung der Wandkritzeleien zu verbessern. Sie ist die Jahrgangsbeste ihrer Highschool und hat bereits eine Zusage der Eliteuni Yale. Aber nun, auf dem Klo sitzend, muss sie mitanhören, wie Mitschüler über ihre bemühte Art herziehen. »Die benimmt sich, als wäre sie 40.« Sie stürmt aus der Kabine, baut sich vor den Lästermäulern auf und prophezeit ihnen eine traurige Zukunft, während sie selbst in Yale brillieren wird. In einem anderen Highschoolfilm wäre dies der Moment des Triumphs. Die schon immer verkannte Streberin, die den Bullies ihrer Klasse eine wortgewandte Retourkutsche verpasst und dann in Zeitlupe mit wehendem Haar und selbstzufriedenem Lächeln davonrauscht.

Doch in »Booksmart«, dem Regiedebüt der Schauspielerin Olivia Wilde, zieht das nicht. Denn auch die drei Lästernden gehen auf Eliteuniversitäten, einer wurde direkt von einem Silicon-Valley-Unternehmen als Programmierer rekrutiert. Die einstigen Loser und Partypeople der Schule haben die Streber eingeholt und hatten auch noch Spaß dabei. Mollys Weltbild bricht in sich zusammen und mit ihr das starre Figurenkonzept des Highschool-Genres. Das Leben ist eben ungerecht und lässt oft diejenigen gewinnen, die es nicht verdient haben. Molly und ihre beste Freundin Amy beschließen, am Vorabend der Zeugnisverleihung nachzuholen, was sie verpasst haben. Sie wollen ihr »booksmart«, also ihr Bücherwissen, mit Lebenserfahrung, also »streetsmart«, aufwerten. Auf der angesagtesten Party des Jahres wollen sie zeigen, dass sie nicht nur Streber sind, sondern auch Spaß haben können. Der darauffolgende Plot ist nicht neu – Party, Kater, Läuterung. Ein bisschen fühlt sich »Booksmart« an wie »Superbad« mit Mädchen. Doch genau das ist das Neue und Unerhörte daran, denn in welchem Jugendfilm gab es zuvor ausschweifend-blöde Masturbationswitze von Teeniemädchen? Erstaunlich, dass man im Jahr 2019 danach fragen muss, aber Hollywood hatte hier Nachholbedarf.

Was John Hughes in den Achtzigern mit Filmen wie »The Breakfast Club« und »Sixteen Candles« gelang, schafft »Booksmart« für die Fridays-for-Future-Generation: Die Teenager sind so lebensnah, so divers und so paradox wie schon lange nicht. Politische Correctness und Incorrectness waren selten so nah beieinander. Denn Molly und Amy sind zwar Turbofeministinnen, haben ihre Zimmer mit
Bildern und Slogans von Ruth Bader Ginsburg, Jane Goodall und Virginia Woolf tapeziert, der Kleiderschrank ist nach Marie-Kondo-Standard geordnet, und sie haben ein Codewort für Notfälle – es lautet Malala. Und doch haben die beiden ihr Leben so gar nicht im Griff, das merken sie jetzt. Sie sind eben doch noch keine 40 Jahre alt, wollen noch vor dem College den ersten Sex und den ersten Vollrausch erleben und sich danebenbenehmen.

Besonders Molly ist eine schon fast revolutionäre Figur im oft auf dumpfe Schwarz-Weiß-Malerei bauenden Highschool-Genre. Der Widerspruch aus verkannter und deshalb selbstgerechter Streberin und überheblichem Bully ist selten im Kino: Sie liebt ihre Freundin Amy zwar aufrichtig, kommandiert sie aber trotzdem herum. Sie will eine weltgewandte Feministin und Karrierefrau sein, sehnt sich aber trotzdem nach dem etwas tumben Sportstar der Schule. Diese lebensnahe Tiefe verdankt Molly der großartigen Beanie Feldstein, die schon als Saoirse Ronans beste Freundin in Greta Gerwigs »Lady Bird« der erdende Gegenpol für all die Teenager-Hormonausraster war. Dieser schillernde Wechsel und innere Kampf aus unbedarftem Teenager, politisch korrekter Aktivistin und verbissenem High-Performer ist herzzerreißend und macht diese oft mäßig sympathische Figur dennoch liebenswert. ||

BOOKSMART
USA 2019 | Regie: Olivia Wilde | Mit: Beanie Feldstein, Kaitlyn Dever, Jessica Williams, Billie Lourd, Lisa Kudrow, Bill Forte
102 Minuten | Kinostart: 14. November
Trailer

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