Die ERES-Stiftung widmet mit »Zero Gravity« sich der Mondraumfahrt: ihrer Technologie wie der künstlerischen Reflexion und der »Space«- Ästhetik der zeitgenössischen Kultur.

Ausstellungsansicht »ZERO GRAVITY« | Rauminstallation von Peter Kogler: »Ohne Titel«| 2019 | Digitaldruck auf Spiegelfolie | © the artist | Foto: Thomas Dashuber

Plötzlich war der Mond, den die Raumforschung fast vergessen zu haben schien, im vergangenen Juli wieder in aller Munde. Der Grund: Das 50-jährige Jubiläum der »Apollo 11«-Mission. »We choose to go to the moon in this decade … because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills …«, so stachelte Präsident John F. Kennedy 1961 in seiner berühmten Rede den Ehrgeiz der Amerikaner an, das Wettrennen und -rüsten um die Mondlandung zu Zeiten des Kalten Krieges zu gewinnen. Das Prestigeprojekt lenkte denn auch perfekt von Rassenunruhen und später vom Vietnamkrieg ab. Was für ein Irrsinn, was für eine unglaubliche Vision! Die Amerikaner konnten nicht zulassen, dass ihnen die Russen in der Raumfahrt weit überlegen waren und bereits 1957 mit dem Sputnik den ersten Satelliten ins Weltall befördert und vier Jahre später mit Juri Gagarin den ersten Kosmonauten in die Erdumlaufbahn geschickt hatten. Es ging schlicht um einen Wettlauf zwischen den Machtblöcken Ost und West. 1969 war es tatsächlich geschafft, die größte technologische Leistung der Nation.

Als am 21. 7. 1969 Neill Armstrong und Buzz Aldrin den Mond betraten, war es das Medienereignis schlechthin: 600 Millionen Zuschauer weltweit harrten vor den TV-Geräten aus. Fortan war der Mond amerikanisch. Nach fünf weiteren Mondspaziergängen bis 1972 kam das Interesse am Erdtrabanten fast vollständig zum Erliegen. Seit dem Ende des Kalten Krieges arbeiten Ost und West bei den ISS-Expeditionen gemeinsam an der Erforschung des Weltalls. Es gilt weitere offene Fragen zur Beschaffenheit des Mondes zu beantworten, zum Beispiel wird mit Modulen aus gesintertem Mondstaub experimentiert, die zu Behausungen auf dem Mond zusammengesetzt werden könnten – als Zwischenstation für Flüge zum Mars.

Thomas Bayrle: »Großer Mantel, 1968 / 02«| Siebdruck auf Kunststoff, Kleiderbügel | Courtesy the artist / Galerie Johann Widauer, Innsbruck | © the artist, VG Bild-Kunst, Bonn | Foto: Thomas Dashuber

Diese Module sind eines von 85 Exponaten in der aktuellen Ausstellung der Eres-Stiftung »Zero Gravity«, in der es, dem Stiftungszweck entsprechend, darum geht, die beiden konträren Welten Technologie und Kunst zu »versöhnen«, wie Kuratorin Sabine Adler, Leiterin der Stiftung, es ausdrückt. Entgegen der bisherigen Ausstellungspraxis wurden hier kaum zeitgenössische Künstler beauftragt, Werke zum Thema Mondlandung zu schaffen, sondern das Ereignis und die Raumfahrt sind Gegenstand und Zentrum der Ausstellung. Der Spirit, der Fortschrittsglaube der 60er Jahre und deren Zukunftsoptimismus werden zusammen mit dokumentarischen Zeugnissen, originalen Raumfahrtobjekten und mit Kunstwerken von den 60ern bis heute zu einem Zeitbild geflochten.

Den optischen Rahmen bildet eine heterotope Rauminstallation des Medienkünstlers Peter Kogler, der alle Räume mit einem rasterförmigen Digitaldruck auf Spiegelfolie ausgekleidet hat. Schlecht für schwindelanfällige Besucher – aber ein hervorragendes Ambiente als Versinnbildlichung der Entgrenzung des Raums. Vor dem Eingang an der Römerstraße prangt in großen Neonlettern das Wort »ASTRONAUT«, eine Arbeit von Hans Schabus, die 2003 schon in der Wiener Secession zu sehen war. Unterschiedliche Themenräume sind der Kunst, Mode, Architektur oder Zeitdokumenten gewidmet. Highlight ist ein mittig positioniertes Demonstrationsmodell des Raum anzugs von Neill Armstrong, den das Technikmuseum Speyer neben anderen Originalen zur Verfügung gestellt hat: ein Reifen der Mondfähre etwa, der aus Klaviersaiten gefertigt ist, weil kein anderes Material den extremen Temperaturschwankungen zwischen –160 und +130 Grad standhalten könnte. »Silver Clouds« von Andy Warhol schweben durch den Raum, Coop-Himmelb(l)au hat eines ihrer ersten Architekturmodelle, einer Wolke ähnlich, zur Verfügung gestellt. Buckminster Fuller mit seiner geodätischen Kuppel »Biosphere« darf auch nicht fehlen, als Beispiel eines Habitats auf einem fernen Planeten. Im Raum für Populärkultur hängt ein riesiger Plastikmantel von Thomas Bayrle – als eines der Beispiele, wie radikal sich der Blick darauf, was Kunst sein könnte, erweitert hat.

Roger Vadims »Barbarella« mit Jane Fonda flimmert an der Wand und auf einem »Schneewittchensarg« aus dem Hause Braun können thematisch passende Vinylscheiben abgespielt werden von »Dark Side of the Moon« bis »Space Oddity« oder vielleicht auch Gus Backus mit seinem Lied vom Mann im Mond, der es jetzt (seit der Landung der ersten Sonde) so schwer hat, weil man ihm keine Ruhe mehr lässt. Dem slowakischen Künstler und Weltraum-Sammler Stano Filko ist ein eigenes Kabinett gewidmet.

Beim Space Race zog, wie erwähnt, die Sowjetunion den Kürzeren. So auch hier: Lediglich eine Wand mit Sondermarken und Postkarten zeugt von den zahlreichen russischen Erfolgen im All und davon, dass sie in diesem Rennen lange die Nase vorn hatte. So lange, bis die NASA mit Werner von Braun und der »Saturn V« durchstartete. Der Raketenpionier, zuvor Entwickler der A4/V2 im Nationalsozialismus, repräsentiert zugleich die todbringende Dimension dieser Technologie. Lediglich ein Splitter eines Zahnrads dieser »Wunderwaffe« ist in der Ausstellung etwas verschämt versteckt. Der schöne Katalog (240 Seiten, 10 Euro) gibt nochmals Zugang zu den Exponaten und ein Rahmenprogramm mit wissenschaftlichen Vorträgen vertieft die Thematik und vermittelt auch den aktuellen Stand der Weltraumforschung.

Wer jetzt mondsüchtig geworden ist, kann im Salzburger Museum der Moderne im Mönchsberg in der Ausstellung »Fly Me to the Moon«. 50 Jahre Mondlandung« (bis 3. November) die Auseinandersetzung mit Schwerelosigkeit, Mond-Eroberung und dem Blick von außen auf unseren fragilen Planeten fortsetzen. Seit 1972 hat kein Mensch mehr den Mond betreten – wir sollten an der Rückkehr zu ihm arbeiten, heißt es nun allerorten. Braucht die Menschheit Erkenntnisse für ihr Fortbestehen, die sie auf dem Mond zu finden hofft? Oder haben wir hier auf Erden vielleicht wichtigere Probleme zu lösen? ||

ZERO GRAVITY. APOLLO 11 AND THE NEW NOTION OF SPACE
ERES-Stiftung| Römerstr. 15
bis 30. November| Di/Mi/Sa 11–17 Uhr (u. nach Vereinb.: 089 38879079) | Eintritt frei
Vorträge: Heidemarie Stefanyshyn-Piper: »My Story: Als Astronautin im Außenbordeinsatz«, 18.10.; Wolf D. Prix, COOP HIMMELB(L)AU: »Das Himmelblaue Experiment«; 25.10., Ulrich Walter (Raum fahrttechnik TUM), 15.1.2020; jew. 19 Uhr, Anmeldung: mail@eres-stiftung.de
Space-Symposiummit Astronaut Ulf Merbold, Space Consult Gerhard Daum und Künstlern (im Gobelin-Saal der Kunstakademie, Akademiestr. 2), 27.11., 19 Uhr, Gratis-Karten erhältlich in der Ausstellung

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