Nora Schüssler betont in ihrer »Jane Eyre«-Inszenierung den emanzipatorischen Charakter.

Alexander Wagner und Theresa Hanich| © Nora Schüssler

»Was musst Du tun, um nicht in die Hölle zu kommen?«, fragt der Pfarrer Jane. »Gesund bleiben und nicht sterben«, lautet ihre kecke Antwort. Das gefällt gar nicht. Überhaupt eckt die Waise Jane, die nach dem Tod des Onkels der übelwollenden Tante und dem gemeinen Cousin ausgeliefert ist, in der viktorianischen Gesellschaft an. Mädchen haben dienstbar und bescheiden zu sein. Jane aber ist leselustig und wissbegierig. Im Internat Lowood setzen sich Misshandlungen und Demütigungen fort, bis der verlogene Direktor abgesetzt wird. Nach dem Tod ihrer geliebten Freundin Helen bleibt Jane noch acht Jahre in der Schule, »in denen es immer besser wird«. Unter der Leitung von Miss Temple wird das Internat zu einem Hort der Bildung und Eigenständigkeit für Mädchen.

Dann wird Jane Gouvernante im Haushalt des seltsamen Mr. Rochester, in den sie sich verliebt, der aber verheiratet ist – mit einer geheimnisvollen Frau, die von einer Wärterin versteckt gehalten wird. Zahlreiche mehr oder weniger romantisierende Verfilmungen ließen »Jane Eyre« in den Kanon dergroßen Liebesgeschichten der Weltliteratur eingehen.

Beka Savićhat aus dem Roman eine anderthalbstündige Theaterfassung erstellt, die Nora Schüssler im Minitheater Mathilde Westend mit Theresa Hanich und Alexander Wagner inszeniert hat. Den kleinen Raum, in dem 17 Zuschauer hautnah an den Schauspielern dran sind, lässt sie vergessen, indem sie den ersten Teil mit Puppen spielen lässt. Da flackern die Lichter unheimlich am Totenbett des Onkels, und Puppenspielerin Hanich reckt das Kinn ebenso trotzig wie die kleine Jane in ihrer Hand. Als Jane ins Leben draußen purzelt, verschwinden die Puppen. Was nun folgt, ist ein Schlagabtausch zwischen zwei unabhängigen Geistern. Rochester bezeichnet Jane als »den Kopf, den ich am meisten liebe«. Jane sagt über sich: »Ich mach mir etwas aus mir.«

Savićs Text und Schüsslers Inszenierung betonen den emanzipatorischen Charakter der Figur Jane. Da wird kein armes Mädchen von einem gesellschaftlich über ihr stehenden Gentleman emporgehoben. Fast verfremdet wirken die Szenen zwischen Theresa Hanichs Jane und Alexander Wagners Rochester, als ob man an einem Filmset wäre und die Figuren beobachtete. Aus Kartons und Wäschepuffs holen sie Requisiten oder einen Filmprojektor hervor und erweitern so den kleinen Raum um (Film-)Szenen, die einen Gegenpol zum ruhigen Fluss der Inszenierung bilden. Und immer wieder blitzt ein trockener Humor auf und macht aus der von menschlichen Tragödien umflorten Geschichte einen leichtfüßigen Abend. ||

JANE EYRE
Mathilde Westend| Gollierstr. 81 | 19., 21., 24., 25., 29., 30.3.| 20 Uhr | Tickets: mathilde-westend@gmx.de

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