Die Galerie Handwerk ist eine einzigartige Institution mit internationaler Ausstrahlung. In ihrer Jubiläumsausstellung zeigt sie fünfzig in München lebende Künstler.

Die Gründer, Manfred Bergmeister und Erst Lösche © Archiv Galerie Handwerk
Typisch München! Was man hat, das hat man – und denkt nicht weiter darüber nach. Man geht wie selbstverständlich fünf bis sechsmal im Jahr hin – insbesondere kurz vor Weihnachten –, freut sich und kauft das eine oder andere Mal auch etwas, entweder als Ge schenk oder für die eigene Wohnung. Selbstverständlich. Dabei war die Gründung der Galerie Handwerk alles andere als selbstverständlich. Entstanden aus dem Engagement einer privaten Initiative – weit entfernt von allem Offiziellen, rein privat organisiert und vor allem finanziert. Ein klassisches Startup, würde man heute sagen, das sich von Beginn an international engagierte im Gegensatz zu im Regionalen verhafteten Vereinen.
Es waren zwei der Moderne zugewandte Kunsthandwerker: der Kunstschmied und Bildhauer Manfred Bergmeister aus Ebersberg und der Keramiker Ernst Lösche aus Dießen am Ammersee, ein Mitglied des Deutschen Werkbundes. Sie gründeten ausgerechnet im Jahr 1968 gemeinsam die Galerie Handwerk, um Aufmerksamkeit auf die immer noch existierende hohe Qualität des Handwerks – regional, national und international – zu lenken. Eine Zeit also, in der man dem Handwerk – um es liebevoll auszudrücken – eher skeptisch gegenüberstand und Kunststoff und Industrie die Zukunft verhießen. Ein wahrlich gewagtes Unternehmen –
doch es war erfolgreich.
Der Ort der Galerie war geschickt gewählt in der Ottostraße 7 in nächster Nachbarschaft von Antiquitätenund Kunsthandlungen – also einem Ort, der Kunstliebhabern bekannt war. In den Archiven der Galerie Handwerk hat sich ein Artikel der Journalistin Gertrud Schwärzler erhalten, geschrieben für die Monatsschrift »Münchner Leben« vom Januar 1969, in dem erstmals über die Aktivitäten der jungen Galerie berichtet wurde. Bereits ein gutes halbes Jahr später, im September 1969, fasste dieselbe Journalistin mit einem Artikel in der Zeitschrift »Kunst und Handwerk« nach, um über Erfolg oder Misserfolg zu berichten. Ausführlich werden die vielfältigen Aktivitäten der Galerie beschrieben und die Initiativkraft, der Wagemut und die Ausdauer gelobt – jedoch war in ihrem Schlusssatz bereits ein warnender Finger erhoben, indem die Autorin ihre Hoffnung zum Ausdruck brachte, dass sowohl den »Galerie-Inhabern jener Elan, der die Galerie gegenwärtig so lebendig macht, trotz mancher Schwierigkeiten auch zukünftig erhalten bleibt«.

Das Plakat der ersten Ausstellung der Galerie Handwerk © Archiv Galerie Handwerk
Diese Mahnung war nicht unbegründet, denn Ausstellungen zu machen, zumal mit internationalen Beteiligungen, ist bis zum heutigen Tag mit sehr hohen Kosten verbunden, vor allem wenn der Zutritt zu Präsentationen von Anfang an kostenfrei war und immer noch ist, da ja die Information der Besucher im Vordergrund steht. Doch auf Dauer konnten die beiden Kunsthandwerker es sich nicht leisten, die Galerie aus ihren Privatmitteln zu finanzieren. 1975 – also immerhin erst sieben Jahre später – wurde die Galerie Handwerk zunächst vom Bayerischen Handwerkstag und später von der Handwerkskammer für München und Oberbayern übernommen, die die einmalige Chance erkannten, die sich mit dieser Galerie dem Handwerk bot, denn weder national noch international gab und gibt es bis heute eine vergleichbare Institution: Internationale Vernetzung, Austausch verbunden mit kommerziellen Möglichkeiten, die Vermittlung von handwerklicher Qualität und die Suche nach Neuem sowie ein tieferes Verständnis für die Bedeutung und Kultur des Handwerks sind nicht hoch genug einzuschätzen.

Billa Reitzner: Zwei Schalen | 2018 | Porzellan, gedreht, geschnitten, transparent glasiert | © Billa Reitzner
Die Bedeutung des Handwerks ist heute trotz Internationalisierung und Globalisierung nicht nur wegen seines wirtschaftlichen Erfolges inzwischen längst wieder anerkannt. Dies ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der jeweiligen Leiter der Galerie Handwerk, die nach den beiden Gründern jeweils eigene Akzente setzten: Sei es Victor Zelger, Peter Nickl oder der seit 2003 tätige Wolfgang Lösche. Sie alle zeigten – wenn auch mit unterschiedlichen Ausrichtungen – Exzellenz, Tiefgang und Vielfalt, was Themen und handwerkliche Techniken anlangte. Auch auf der ebenfalls von der Galerie verantworteten, alljährlichen Sonderschau »Exempla« auf der Internationalen Handwerksmesse. Und dies seit Jahrzehnten mit einem immer wieder überraschenden und qualitätvollen Ausstellungsprogramm. Neu hinzugekommen ist in all den Jahren die Begleitung und Unterstützung talentierter Gestalter, wie sie sich in der Akademie für Handwerk und Design in München manifestiert. Beste Voraussetzung für die Zukunft. Es darf also gefeiert werden! ||
50 JAHRE GALERIE HANDWERK MÜNCHEN
Galerie Handwerk| Max-Joseph-Str. 4, Eingang Ottostr. 7 | bis 17. November
Di/Mi/Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Sa 10–12 Uhr | Führung: jeden Do, 18.30 Uhr | nächste Ausstellungseröffnung: »Künstlerisches Spielzeug – Spielerische Kunst«, 27. Nov., 18.30 Uhr
Das könnte Sie auch interessieren:
Auf Spurensuche: Die Ausstellung in der Gemäldegalerie Dachau
Künstlerkolonie Kronberg: Die Ausstellung »Natur und Idylle« in Dachau
Papan: Der Karikaturist und Zeichner im Porträt
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton