Jochen Schölch macht aus der Familiensaga »Das Ende des Regens« einen fesselnden Theaterabend mit tollen Schauspielern.

Elizabeth (Eli Wasserscheid) lässt ihrem Zorn auf Henry (Thomas Schrimm) freien Lauf | © Jean-Marc Turmes

Auf dem Programmzettel sind die Stammbäume der Laws und der Yorks verzeichnet. Das ist hilfreich, denn zunächst ist es nicht ganz leicht, sich in dem mit Orts­- und Zeitsprüngen prä­sentierten Personenreigen zurechtzufinden. In verschachtelten Episoden entfaltet Andrew Bovell eine sich über Generationen und Kontinente spannende Saga zweier Familien, die uns aus dem London von 1959 bis ins australische Alice Springs im Jahr 2039 führt. »Das Ende des Regens« erzählt von den verhängnis­vollen Folgen des Schweigens, unerfüllten Sehnsüchten, einem Kindsmord, Schuld und Scheitern, von der Macht der Vergan­genheit über die Gegenwart, der Toten über die Lebenden.

Gabriel (James Newton), der Sohn von Elizabeth und Henry Law, reist auf der Suche nach seinem verschwundenen Vater, über den seine Mutter sich weigert zu sprechen, nach Australien. Dort verliebt er sich in die durch den Tod ihres kleinen Bruders tief verstörte Gabrielle York. Sie will mit ihm aus der Enge der Provinz ausbrechen und wird schließlich doch einen braven, einfachen Kerl heiraten, sich selbst und ihren bis zur Selbstverleugnung geduldigen Mann (Hubert Schedlbauer) unglücklich machen. Doch man darf nicht alle Wendungen und tragischen Verflechtungen verraten, um die Spannungsmomente des Abends nicht zu zerstören.

Gleich zu Beginn fällt in einem berückenden Bild, in dem die Figuren in dunklen Mänteln mit Schirmen, aus denen der Regen rinnt, vor einem schwarzsilbrig glitzernden Lamettavor­hang stehen, ein Fisch vom Himmel. Das Stück des Australiers ist durchzogen von surrealen Einsprengseln. Die apokalypti­schen Untertöne, das Aussterben der Fische, der Klimawandel und die christliche Symbolik sind in Jochen Schölchs Inszenie­rung angenehm unaufdringlich eingewoben. Ihr Herzzentrum bilden die Menschen und ihre Geschichten. Schölch macht im Metropoltheater aus Bovells Text zumal nach der Pause großes fesselndes Theater.

Dafür braucht er nicht viel. Koffer werden zu Grabsteinen, ein über den Tisch gebreitetes Leintuch ver­wandelt diesen in ein Bett, wird zum Leichentuch für die geal­terte Gabrielle und zu einem Zelt, aus dem sie als junge Frau mit ihrem Liebsten schlüpft. Getragen wird die Aufführung von dem starken siebenköpfigen Ensemble, das die Figuren sensi­bel und präzise zeichnet: Eli Wasserscheid als Elizabeth Law, die in ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung pathosfrei berührt, und Lilly Forgách als ihr gealtertes Ich, eine schmerzlich und grausam emotional disziplinierte Alkoholikerin. Die bezau­bernde Vanessa Eckart als junge und Dascha von Waberer als traurig desillusionierte alte Gabrielle York, Thomas Schrimm als von seinem schuldhaften Begehren innerlich zerrissener Henry Law und hibbeliger Vaterversager Gabriel York.

Am Ende scheint doch noch Hoffnung auf: Da sitzen Vater und Sohn, die Toten und ihre Nachkommen an einem Tisch und essen Fisch. So sehr die Vergehen und Versäumnisse der Vergangenheit Generationen überschatten, irgendwann kön­nen Menschen sich und einander daraus befreien. ||

DAS ENDE DES REGENS
Metropoltheater| Floriansmühlstr.5 | 3., 5., 9., 10. Nov.
20 Uhr | Tickets: 089 32195533 | info@metropoltheater.com

Das könnte Sie auch interessieren: