Extravangante Möbel und Heiligenfi guren, Altmeister und AvantgardeAquarelle – die Messen für Kunst und Antiquitäten im Oktober bieten schönsten Augenschmaus und lassen Sammlerherzen höherschlagen.
Ein paar Aussteller bleiben aus, dafür kommen andere dazu. Was überdauert, sind tatsächlich die Buchsbäumchen, die bald wieder gestutzt und gezupft Spalier stehen. Der immergrüne Zierrat ist jedes Jahr ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich München zur Kunstmessestadt aufgebrezelt hat. Und das ist keineswegs übertrieben, denn ab 17. Oktober weisen sie in der Residenz den Weg zu den »Highlights« und gleich am Tag darauf zur »Kunst & Antiquitäten«-Messe in der Kleinen Olympiahalle. Nur die »Paper Positions«, letztes Jahr der hippe Berliner Newcomer im Ausstellungstrio, macht eine Ausnahme: Messechef Kristian Jarmuschek mag neben der Kunst kein Grünzeug, lassen die Mitarbeiter durchblicken.
Stattdessen gibt man sich puristisch zurückhaltend, die Alte Bayerische Staatsbank, respektive das Pop-up-Hotel Lovelace, bietet mit seinem neobarock aufgepumpten Pathos schon Dekor genug. Und Papierarbeiten vertragen kein allzu kraftvolles Drumherum, das ist auch in den großen Malereiausstellungen immer ein Problem. Wobei sich die intensiven Farben von CoBrA-Mitbegründer Karel Appel überall durchsetzen – diesen Klassiker hat das Vater-Sohn-Duo Fred und Matthias Jahn neben subtilen Wasserfarbenblättern von Julius Heinemann im Gepäck.
Standortbedingt sind genauso die anderen Münchner Galeristen gut vertreten. Das reicht von den Alteingesessenen wie der Galerie Thomas, die Expressionisten präsentiert, und Renate Bender, der Expertin für Konkretes und Monochromes, Stefan Vogdt oder Six Friedrich mit Sohn Max Weber bis zu Neueinsteigern wie Britta von Rettberg – sie hatte erst im Juni Einjähriges. Undschön, auch einige Münchner Künstler werden in diesem internationalen Ambiente präsentiert. Bender etwa hat Werke von Helmut Dirnaichner dabei, die durch den Auftrag geriebener Mineralien eigentümliche Oberflächenstrukturen und eine betörende Couleurerhalten. Die Natur ist einfach nicht zu übertreffen.
Mit fast 40 Galerien bleibt die »Paper« auch im zweiten Jahr überschaubar, das ist sowieso das große Plus in München. Wer sich durch die Art Basel oder die Tefaf in Maastricht wühlt, bewältigt das kaum mehr ohne Laufsportschuhe. Stöckeln im Kostümchen schaffen nur Kurztreterinnen und Standing Decorations, aber das ist fad, denn auf Messenwill man möglichst viel sehen. Und das am liebsten in Top-Qualität. Insofern hat eine langjährige Zürcher Besucherin der »Highlights« schon recht: »Hier ist die Vorauswahl gemacht, ich krieg’ gleich die Rosinen serviert, das spart Zeit«, sagt sie. Oder auch nicht.
Die Konzentration der Highlights – der Titel ist bewusst gewählt – hält einen dann doch länger als gewöhnlich in den Messekojen. Zum Beispiel bei den Expressionismus-Spezialisten Ludorff aus Düsseldorf, die diesmal einen wirklichen Knüller dabei haben. Das 1919 entstandene »Russische Mädchenpaar« des Brücke Malers Otto Müller ist erst kürzlich wieder auf den Markt gelangt und sticht schon durch seine delikaten kühlen Grüntöne ins Auge. Und da wir gerade beim Herausragenden sind: Wer ein Faible fürs Rokoko pflegt, wird beiRöbbing an einem Paar Eichelhäher des Meißner Stardesigners Johann Joachim Kaendler festkleben – er hat auch dieherrlich sarkastische Affenkapelle entworfen. Die beiden Porzellanvögel sitzen im Zentrum zweier ziemlich verspielter Leuchter, die von Blumen und Blättern umrankt sind. Wenn Kunst so nah am Kitsch ihre Pirouetten dreht, wird sie nochmal richtig aufregend.
»Die neunte Ausgabe der Highlights erfährt wieder eine leichte Stärkung der älteren Bereiche«, kündigt Alexander Kunkel an, einer der beiden Geschäftsführer. Das tut auch Stammausstellern wie Rainer Jungbauer aus Straubing und seinen barocken Skulpturen gut – heuer mit einer hinreißenden Heiligen Barbara von Ignaz Franz Platzer. Oder demBamberger Christian Eduard Franke, der immer wieder mit außergewöhnlichen Möbeln überrascht wie einem Eckhalbschränkchen samt Blumenintarsien aus der berühmten Werkstatt von David Roentgen. Die einigermaßen gleichmäßige Verteilung vom späten Mittelalter bis zur unmittelbaren Gegenwart macht den Reiz aus. Viele Sammler seien durchaus offen und längst nicht auf eine bestimmte Epoche fixiert, beobachtet Kunkel.
Das sieht Andreas Ramer von der »Kunst & Antiquitäten« genauso. Der Mitbegründer der ältesten und sicher auch münchnerischsten der drei Messen weiß aus vielen Gesprächen, dass heute durchaus kühn kombiniert wird. »Und wenn man dann an den Ständen nur altes Tafelsilber und Barockkommoden anbietet, wirkt die ganze Veranstaltung verstaubt«, findet er. Denn gerade in der Mischung komme das Alte wie das Neue besser zur Geltung. Von diesen wohltuenden Spannungen, wie er sagt, profitieren sämtlicheder gut 65 Aussteller. Sie sind übrigens ohne großes Vertun an den neuen Standort mitgezogen. Die »Kunst & Antiquitäten«, die viele immer noch mit dem Paulaner am Nockherberg in Verbindungbringen, ist nach einem kurzen Intermezzo im Postpalast an der Hackerbrücke nun in der Kleinen Olympiahalle gelandet. »Nicht freiwillig, aber bisher haben wir uns bei jedem Wechsel verbessert«, meint Ramer. Und Platz ist genug – extravagante Möbel wie die tiefroten Otto-Prutscher-Fauteuils aus den Wiener Werkstätten (um 1925) könnten hier ihre ganze Wirkung entfalten. Mit dieser Rarität kommt die Art Deco-Fachfrau Susanne Bauer erstmals auf die »Kunst & Antiquitäten«. In ihrer Wiener Galerie und auf der »Art & Antique« in der Salzburger Residenz hätte sie so gute Erfahrungen mit dem Münchner Publikum gemacht, dass ein Ausflug an die Isar längst fällig gewesen sei.
Apropos Salzburg: Wer mit den drei Münchner Messen noch nicht bedient ist, hat hier eine vierte Möglichkeit. Die »Art SalzburgContemporary & Antiques« beginnt am 19. Oktober. Wie die »Paper Positions« ist sie ein ganz junges Format und findet diesen Herbst erst zum zweiten Mal statt. Direktorin Johanna Penz setzt nicht von ungefähr aufeine Mixtur aus Dauerbrennern wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein und Startern, die sich erst einen Namen machen müssen. Zwischendrin dürfen es dann gerne noch Besonderheiten aus dem 19. Jahrhundert, der Klassischen Moderne und der unmittelbaren Nachkriegszeit sein. So ganz will man sicheben auch nicht auf ein allzu schmales Segment verlassen.
Allerdings wird man in Salzburg vergeblich nach Buchsbäumchen Ausschau halten. Ob das auf Dauer gut geht, lässt sich erst in ein paar Jahren sagen. In China steht der Buchsus jedenfalls für ein langes Leben, und zum Schnitzen feinster Skulpturen eignet sichdas Holz auch. Andreas Ramer hat seine Bäume schon hergezupft. Kurz vor Messebeginn wird er sie dann wieder aus dem Chiemgau nach München chauffieren. Und die»Kunst & Antiquitäten« gibt’s jetzt schon seit einem halben Jahrhundert. ||
HIGHLIGHTS
Münchner Residenz, Eingang Hofgarten
17. bis 21. Oktober| täglich 11–19 Uhr, 18. Okt, bis 22 Uhr | Führungen 20./21. Oktober
12–13 Uhr | Eintritt 25, Senioren 20, Studenten 8 Euro (jeweils inkl. Messemagazin)
KUNST & ANTIQUITÄTEN MÜNCHEN
Kleine Olympiahalle| Spiridon-Louis-Ring 21
18. bis 21. Oktober| täglich 11–19 Uhr
Eintritt 9, ermäßigt 6 Euro,
PAPER POSITIONS
Alte Bayerische Staatsbank
Kardinal-Faulhaber-Str. 1 | 18. bis 21. Oktober
Öffnungszeiten: 19./20. Okt. 13–20 Uhr,
21. Okt. 11–18 Uhr | Eintritt 15, ermäßigt 8 Euro
ART SALZBURG CONTEMPORARY & ANTIQUES
Messezentrum Salzburg, Halle 1
Am Messezentrum 1 | 19. bis 21. Oktober
Öffnungszeiten: 19./20. Okt. 9–18 Uhr, 21. Okt. bis 17 Uhr | Eintritt ab 14 Euro
Das könnte Sie auch interessieren:
Witches in Exile: Die Ausstellung im Museum Fünf Kontinente
Martin Creed im Museum für Konkrete Kunst
Papan: Der Karikaturist und Zeichner im Porträt
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton