Romy Schneiders Auferstehung in »3 Tage in Quiberon«.
Jeder kennt sie, die Ikone des deutschen Nachkriegsfilms, später die des französischen Autorenfilms, schließlich der internationalen Boulevardpresse. Romy Schneider, die große Tragödin, der man die dunklen Wolken schon als Sissi und kurz danach als »Mädchen in Uniform« vom Gesicht wischen wollte, voller Mitleid im Wissen darüber, was ein paar Jahrzehnte später auf sie zukommen sollte. Wie viele Fans, männliche wie weibliche, liegen ihr bis heute zu Füßen? Sie wäre heute 80 Jahre alt, wäre sie nicht 1982 an ihrem Unglück gestorben.
Regisseurin Emily Atef lässt Romy Schneider auf gespenstische Weise in ihrem Film über die drei Tage in Quiberon auferstehen, in denen der »Stern«-Reporter Michael Jürgs und der Fotograf Robert Lebeck, genannt »Lebo«, die Schauspielerin in einer als Wellnesshotel getarnten Entzugsklinik besuchten. Der Film ist schwer zu fassen. Fängt man von hinten an: ein schwarz-weißes Reenactment, das den Zuschauer trauriger entlässt, als er hineingegangen ist. Es gibt regelrecht schockierende Momente, wenn man erlebt, mit welcher Souveränität Marie Bäumer zu Schneiders Double wird. Wie die Mimik stimmt, die Körperhaltung, wie sie raucht. Die Besetzung ist unheimlich präzise getroffen, nicht nur mit Marie Bäumer, sondern auch mit Charly Hübner als teddybärartigem Lebo, dem sperrigen Robert Gwisdek als Michael Jürgs und Birgit Minichmayr als Romys Freundin Hilde. Großes Kino, keine Frage. Sensationelle schauspielerische Leistungen, auch keine Frage. Aber eine Frage wird dennoch immer drängender: Wozu soll dieser Film gut sein? Wer ihn sehen will, ist an Romy Schneider interessiert. Verehrt sie vielleicht als Schauspielerin, als Gesicht, als Mythos. Vielleicht geht man in diesen Film auch mit einer gewissen Lust am Enthüllungsjournalismus. Vielleicht hofft man, mehr über diese Frau zu erfahren, von der man so viele Geschichten und Bilder im Kopf hat.
Tatsächlich erlebt man aber, wie sie vielleicht tatsächlich gewesen sein könnte: eine ganz normal manisch-depressive Person, eine unerträgliche Nervensäge, die sich in ihren vielen Rollen verirrt hatte. Emily Atef zeigt eine Schauspielerin, die nur noch aus Images besteht: die unglückliche Frau, die instrumentalisierte Tochter, die niederschwellig zugängliche Alkoholikerin in einer Dorfwirtschaft, die entschiedene Position: Nein, ich bin nicht Sissi, ich bin Romy Schneider. Aber wer ist das? Wer sollte das sein? In jeder Lebenslage spielt sie eine Rolle, sogar als Mutter mit ihrer Tochter Sarah – man hat den Eindruck, lebendig war sie offensichtlich nur, wenn eine Kamera auf sie gerichtet war. Der Zuschauer hat die Wahl, welche Position er beziehen möchte: Die der loyalen, selbstlosen Freundin aus Kindertagen?
Die des Fotografen, der sich an Romy Schneiders Oberfläche sattsieht und feststellt: Du bist die Schönste! Oder die des Journalisten, der knarzig versucht, eine kritische, bohrende, gnadenlos analytische und dabei unsäglich eitle Haltung einzunehmen, nur um die Distanz zu wahren? Der gegen Ende des Interviews bekennt: Sie hat mich berührt. Worauf Hilde trocken erwidert: »Alle sind von Romy Schneider berührt, da bist Du nichts Besonderes.« Das ist es vielleicht, was Romy Schneider bis heute für so viele Menschen so faszinierend macht: Sie macht den Betrachter zu etwas scheinbar Besonderem, dient als Projektionsfläche für alle Bedürfnisse, als die Tragödie der misslungenen Existenz. »Es hätte besser laufen können mit meinem Leben«, sagt sie irgendwann beiläufig. Ja, da hat sie recht. Und damit ist sie nicht allein. Dieser Film entzaubert Romy Schneider als anstrengenden, auf sich selbst und seine Außenwirkung fixierten Menschen, in dessen Umgebung man zum Requisit wurde. Als Zuschauer wird man zum Voyeur, der sich am Ende wünscht, man hätte sich mit dem Halbwissen um den Mythos begnügt. ||
3 TAGE IN QUIBERON
Deutschland, 2018 | Regie: Emily Atef
Mit Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Robert Gwisdek, Charly Hübner | 115 Minuten
Kinostart: 12. April
Trailer
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