Trey Edward Shults stellt in »It Comes At Night« das Horrorgenre auf den Kopf.

Trotzt der Wildnis:
Joel Edgerton in Trey Edward Shults »It Comes at Night« © Universum Film

Der Horror folgt so oft einer Logik der Eskalation; er suggeriert das Furchtbare immer wieder, lange bevor er es Bild werden lässt. Bei Trey Edward Shults hingegen, der in seinem gefeierten Erstling »Krisha« bereits eindringlich vorführte, wie gewaltvoll und schmerzhaft die Mechanismen von Ausschluss und Einschluss in Familienbande sein können, steckt aller Schrecken schon im Anfang, im Gesicht des Großvaters. Opa hat sich infiziert. Sein Atem scheint sich durchtiefe Lagen Schlamm bohren zu müssen, die Haut hat die beißende Farbe des herankriechenden Todes angenommen, die Augen glühen schwarz. Opa ist das Monster. Opa, dessen vorübergehende Zuflucht im Eingangsbereich des Hauses so gut versiegelt ist, wie es sich im Zuge der hereinbrechenden Turboapokalypse nun einmal versiegeln ließ, trägt das Antlitz des unmenschlich Menschlichen, das zur Rechtfertigung dient für die gefährliche Pragmatik, die so viele vergleichbare Erzählungen prägt. Opa kann nicht mehr gerettet werden. Opa ist eigentlich schon tot, und wenn wir uns selbst retten wollen, dann müssen wir das Ganze nur ein wenig beschleunigen.

Müdigkeit und Misstrauen prägen die Welt nach dem Virus, die doch gleichwohl Wachsamkeit und ständiges Tun verlangt. Joel Edgerton spielt Schwiegersohn Paul mit weitgehend unbewegter Miene; seine Gefühlswelt scheint sich nach innen verzogen zu haben, wie die Familie mit Frau Sarah und Sohn Travis in ihr Haus. Gesichter und Gänge prägen die Bildwelt des Films: Erstaunlich warmes Licht aus einzelnen Quellen umschmiegt die Menschen, doch direkt nebenan lauert die Finsternis. Drew Daniels fährt mit seiner Kamera die Korridore ab, als wisse diese es besser, als wollesie warnen vor etwas Bedrohlichem. Brian McOmbers Musik stimmt hämmernd mit ein, der Titel des Films geht einem dabei nicht aus dem Kopf, in dem dazu natürlich auch noch all die blutigen Exzesse stecken aus den Zombie- und Virusfantasien der Kinogeschichte.

Es ist tatsächlich jemand im Haus, aber wer ist es wirklich? Will wird nach einem Einbruchsversuch von Paul überwältigt, doch dann erzählt er von seiner Frau und seinem kleinen Sohn und von Vieh und Nahrung zum Tauschen. Zögerlich stimmt Paul zu, Will und dessen Familie bei sich aufzunehmen. Es gibt Momente der Entspanntheit, vielleicht gar der fragilen Harmonie. Dann aber tauchen Ungereimtheiten in Wills Geschichte auf, und ein noch größerer, ja der größte Verdacht steht im Raum.

Trey Edward Shults folgt den popkulturellen Spuren seines Stoffes und reflektiert gleichzeitig jeden Schritt dieses Wegs. Selbstverständlich suggeriert auch er die Bedrohung, doch er verweigert die Katharsis – die des drastischen Bildeffektes wie die der Sicherheit, das Richtige zu tun, wie sie noch bei der Sache mit Opa zur Beruhigung helfen mochte. Er überführt die Zwangsläufigkeit des Tötens in dessen Kontingenz. Was Fans von blutigen Horrorfilmen womöglich enttäuschen wird, hat dem Film in den USA einen kleinen Indie-Hype beschert, der zum verspäteten deutschen Kinostart längst abgeflaut ist. An der Leistung von Shults ändert dies indes wenig: Er tut das Monströse, indem er das Monster aus seiner Erzählung tilgt. ||

IT COMES AT NIGHT
USA 2016 | Regie: Trey Edward Shults
Mit: Joel Edgerton, Kelvin Harrison Jr., Carmen Ejogo u. a. | 92 Minuten | Kinostart: 18. Januar
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