Das Festival LAUTyodeln lädt zum dritten Mal Jodler aller Klassen in die Stadt. Ein Wochenende voller Überraschungen.
LAUTyodeln 2024
Holleri du dödel di
Kann sich noch jemand an den Shanty-Hype während der Coronapandemie erinnern? Auslöser dafür war ein Tiktok-Video des schottischen Briefträgers Nathan Evans, der darin das neuseeländische Seemannslied »The Wellerman« sang. Das Video ging 2020 viral, plötzlich wollten alle Shantys hören oder singen. So als hätte Evans‘ Tiktok-Ständchen uns alle in Fischer oder Walfänger des 19. Jahrhunderts verwandelt, der großen Zeit der Shantys. Vor hundert Jahren gab es in den USA etwas Ähnliches. Damals war es der Jodelbazillus, das auf unzählige Hörer und Musiker übersprang. Und ganz speziell war es derjenige des »Hillbilly Yodeling« eines Jimmie Rodgers, des ersten Superstar des Country. Rodgers, eines der größten Idole von Bob Dylan, soll sogar beim Sprechen gejodelt haben. Sein Markenzeichen waren die »Blue Yodels«, Songs im Bluesformat mit Jodel-Einwürfen, durch deren Einfluss das Jodeln vom Western-Swing bis hin zum Boogie in nahezu jedes Genre schwappte. In den 1940er Jahren war der Jodel-Boom dann plötzlich wieder vorbei. Aber immerhin hielt er sich länger als der Corona-Shanty-Hype.
Und es wird auch weiterhin gejodelt. In den Alpen, wo das Jodeln als Signalruf oder Kommunikationsform ja angeblich herstammt. Aber auch auf Madagaskar, in Kamerun oder in Rumänien wurde und wird gejodelt. Man kennt die Stimmtechnik aus der Volksmusik, aber auch im Jazz und Pop taucht sie ab und an und auch im Country weiterhin auf. In die Charts schafft man es damit nicht mehr. Außer jemand in Schottland startet einen Tiktok-Jodel-Hype. Oder das LAUTyodeln-Festival Vol. 3 entfacht im Mai in München ein neues Jodelfieber, das dann sozialmedial durchs Land zieht. Völlig ausgeschlossen ist das nicht. Denn das von der Abteilung Urbane Volkskultur des Kulturreferats in Kooperation mit dem Label Trikont veranstaltete Festival stieß schon bei seiner Erstausgabe 2016 auf großen Zuspruch. Und als die Urbane Volkskultur bereits 2011 erstmalig Jodelkurse ausschrieb, wurden diese regelrecht überrannt.
Mal sehen, wie es in diesem Jahr wird. Denn auch zum LAUTyodeln-Festival gehören neben Konzerten Jodelkurse. Es gibt allgemeine Workshops für Jodel-Einsteiger (9. Mai), Workshops mit den Schwerpunkten »niederbayrische Arin«, »steirische Jodler« und »Schweiz« (alle 11. Mai). Die Veranstaltungsorte dafür sind der Gasteig HP8 sowie das Mucca und das Import Export im Kreativquartier. Die Konzerte finden außerdem im Wirtshaus im Fraunhofer, im Carl-Orff-Saal im Fat Cat (dem zwischengenutzten Gasteig) und im Zirka im Kreativquartier statt. Dargeboten wird das »unartikulierte Singen aus der Gurgel«, wie das Jodeln in einem Reisebericht von 1810 genannt wurde, oder professioneller beschrieben der ständige Registerwechsel von der Brust- in die Kopfstimme in den verschiedensten Varianten. Klassisch volksmusikalisch, auf die traditionelle Südtiroler Art, aber auch gekreuzt mit Pop, Jazz oder Country.
Dass gerade die alten, tradierten Jodler eine »unglaubliche Kraft« haben, will Traudi Siferlinger mit ihren Geschwistern Maria und Hermann dann am 9. Mai im Fraunhofer zeigen. Die drei gehören seit den 1970er Jahren zu den prägenden Akteuren der Volksmusik- und Jodelszene im südlichen Oberbayern. Begleitet werden sie von der Berghammer Tanzlmusik, die Polkas mit Boarischen und getragenen Jodelweisen mixt. Am 10. Mai stehen beim großen Konzert im Carl-Orff-Saal als »Herzkammer des Festivals« bei vier Auftritten dann vor allem die neueren Jodelweisen auf dem Programm. Dazu gehört das Konzert des Vokalensembles Stimmreise.ch aus der Schweiz. Das A-Cappella-Quartett jodelt sich von der Tradition in die Moderne, im Grenzgebiet zwischen Volksmusik und Jazz. Das in München sehr geschätzte Frauen-Trio Ganes aus den Dolomiten wiederum begibt sich mit dem Multiinstrumentalisten Johannes Bär auf eine Reise zu seinen Südtiroler Wurzeln. Mit ihren betörenden Stimmen docken die drei Frauen dabei auch an der Popmusik an.
Der große Wiener Liedermacher Ernst Molden singt bei seinem Auftritt am selben Abend Songs von Jimmie Rodgers oder auch Hank Williams im »Weaner« Dialekt. Und belegt dabei die Nähe zwischen »American Yodeling« und Wiener »Dudler«. Unterstützt wird er von Maria Petrova am Schlagzeug. Vue Belle ist eine Formation aus Musikern mit Fluchtgeschichte, die der Künstler Paul Huf leitet. Bei ihrem Konzert mit Anna Veit tönt es nach Alpen, aber auch nach Afrika. Beim finalen Konzert mit Yodelsession im Zirka am 11. Mai treten Vue Belle, Anna Veit und Paul Huf abermals auf, suchen dort aber den Jodel-Austausch mit dem Publikum. Das Ensemble Opas Diandl aus Südtirol spielt davor neotraditionelle Stubenmusik mit Viola Da Gamba, Zither, Banjo und anderen Instrumenten.
Das Wort Jodeln hat übrigens im freudigen Ausruf »io« seinen Ursprung. Und erstmals gejodelt wurde bereits um 1840 in den USA, als Tiroler Sängergruppen dort durchs Land zogen. Nachlesen kann man das im wunderbaren Buch »Jodelmania« von Christoph Wagner, das 2019 quasi als Ergebnis der ersten beiden LAUTyodeln-Festivals erschien. Auch die Texte zu den Trikont-Samplern »LAUTyodeln Vol. 1 & 2« mit Konzertmitschnitten hat Wagner verfasst sowie den zum Trikont-Sampler »American Yodeling« von 1998. Allen, die sich musikalisch oder theoretisch fundiert auf das Jodel-Festival einstimmen wollen, seien diese zur Einstimmung empfohlen. ||
LAUTYODELN 2024
Wirtshaus im Fraunhofer, Fat Cat, HP8/Saal X u. a. | Fraunhoferstr. 9, Rosenheimer Str. 5, Hans-Preißinger-Str. 8 u. a. | 9.–11. Mai |
Tickets: 089 54818181
Weitere Vorbericht finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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