John Watts ist wieder unterwegs. Und seine Band Fischer-Z klingt so nostalgisch wie nötig und aktuell wie möglich.

Fischer-Z

Der Dauerhafte

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Fischer-Z in Arbeitskleidung | © Nylo de Meijer

Manchmal möchte man John Watts beiseite nehmen und ihm sagen: Es ist schon in Ordnung! Die Welt ist ein Trauerspiel und der Mensch erschreckend unvollkommen. Aber es gibt auch die Guten! Sänger wie dich, die mit dem Finger auf die Dinge zeigen, ohne sie gleich zu verurteilen. Songwriter wie dich, die echte Lieder schreiben und im indie-rockigen Geiste unter die Leute bringen! Wahrscheinlich würde er sich freuen. Denn John Watts ist noch immer Idealist, nach fast einem halben Jahrhundert Bühnenpräsenz und 29 Alben rund um das Fischer-Z-Universum. Er ist ein Mann der Botschaft, die er gerne in die Welt hinaus singt. Er ist aber auch ein Freund der Reflexion, die nicht immer so strahlend ausfällt, wie er sie gerne hätte. »Es ist manchmal schwer, das Künstlerleben vom übrigen Leben zu trennen«, erzählt John Watts aus seinen Erfahrungen mit der Musikwelt. »Man kennt mich dafür, vieles ohne künstlerische Kompromisse gemacht zu haben. Aber manche Entscheidungen waren auch Desaster. Im vergangenen Jahr bin ich durch einige Täler gegangen, habe aber auch viel über mich gelernt. Ich bin jetzt 69 Jahre alt, reichlich spät, aber besser jetzt als nie. In den neuen Liedern singe ich zum Beispiel viel über Kinder. Immer öfter werden ADHS, Autismus und andere psychische Probleme diagnostiziert. Ich will aber nicht, dass Kinder so etikettiert werden. Stattdessen erzähle ich ihnen: Ihr habt eure Superkräfte und ihr müsst vorsichtig damit umgehen. Ich beziehe das auch auf mich. Ich habe einige blödsinnige Entscheidungen in meinem Leben getroffen, wo ich mich heute frage: Warum hast du das gemacht?«

Oder warum eben auch nicht. John Watts wollte beispielsweise aus sich selbst nie eine Marke machen. Während Kollegen wie Joe Jackson, Elvis Costello oder Sting auch nach dem Ende ihrer Bands unter eigenem Signum weitergemacht haben, schlüpfte er in immer neue Rollen, die er mit bestimmten Themen und neuen Namen verband. Fischer-Z verstand er dabei als Basislager. 1977 erstmals gegründet, fünf Jahre später aufgelöst, nach weiteren fünf Jahren reanimiert, ist es seitdem die Band, die trotz aller Popularitätsschwankungen fest mit seiner Stimme verbunden wird. Den Namen hatte er bewusst möglichst bedeutungsleer gewählt, damit man ihn neu und mit großem Spielraum füllen konnte. Als studierter Psychologe mit politischem und gesellschaftskritischem Interesse waren ihm neben Liebe und Leidenschaft eben auch kritische Statements wichtig. Daran hat sich bis heute wenig geändert, denn aktuelle Themen gehören zum Programm: »Ich interessiere mich sehr für Politik und Militärgeschichte. Das war schon immer so. Als zum Beispiel das ›Red Skies‹-Album erschien, war das einerseits wegen der Musik erfolgreich, dann aber auch wegen der politischen, speziell britisch politischen Fragen, die ich angerissen hatte. Damals ging es viel um den Kalten Krieg, was wiederum den Menschen in Deutschland viel sagte. Auf diese Weise rutschte die Musik auch in die deutsche Geschichte hinein.«

Songs wie »Berlin« führten dazu, dass Fischer-Z sich auch trotz wechselnder musikalischer Moden eine feste Fanschar hierzulande erhalten konnte. Hört man die Hymne an das »Island in Germany« aus heutiger Perspektive, wirkt es wie ein Ruf aus einer anderen Zeit, mit Problemen, die viel marginaler erscheinen, als sie damals waren. John Watts singt das Lied aber immer noch, ein Denkmal aus der Vergangenheit, auch ein wenig ein Fingerzeig auf die Gegenwart, die die Spaltungen von einst auf unterschwellige und anders gewichtete Art fortsetzt: »Klar singe ich das weiter. Meine Lieder, meine Musik repräsentieren meinen Blick auf die Welt. Ich versuche, Dinge immer in verschiedene Richtungen zu denken und daher ist für mich auch sinnvoll, verschiedene Sprachrohre für meine Arbeit zu haben. Auf der einen Seite ist alles, was mit meiner Stimme verbunden ist, fischer-z-ig. Viele Künstler aus meiner Generation sind gerade dabei, das alte Achtziger-Ding wieder zirkulieren zu lassen. Das ist ja ganz in Ordnung, war aber andererseits nie mein vorrangiges Interesse. Fischer-Z ist daher das Podium, auf dem die alten Sachen passieren können, die Songs, die das Publikum von damals kennt.«

Darüber hinaus entstehen neue Lieder, die unter diese Haube passen. Im April und Mai ist Fischer-Z daher mit dem neuen Album »Triptych« unterwegs. Aufgenommen wurde es im vergangenen Jahr mit kleiner, familiärer Besetzung. Wieder gehören neben persönlichen Fragen und Powerliedern auch ernstere Themen wie Depressionen, der Wahnsinn des Kriegs und die Gefahren künstlicher Intelligenzen zum Programm. Dabei aber wird es live nicht bleiben. Denn John Watts weiß, dass ihn das deutsche Publikum auch wegen der Lieder seiner eigenen Jugend schätzt. Vielleicht erinnert sich dann tatsächlich noch jemand an das geteilte Berlin und an Zeiten eines Totalitarismus, den niemand wiederhaben will. Dann hätte Fischer-Z es einmal mehr geschafft, nebenn schöner und historischer Popmusik auch Idealismus zu den Menschen zu bringen. ||

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John Watts, der Unermüdliche | © Thorsten Samesch

FISCHER-Z
Backstage Werk | Reitknechtstr. 6 | 29. April | 20 Uhr | Tickets: 089 54818181

Weitere Vorberichte gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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