Kristoffer Borglis »Dream Scenario« zeigt Aufstieg und Fall einer Traumkarriere.
Dream Scenario
Der Albtraum der anderen
Als Filmliebhaber kann es passieren, dass einem ohne Weiteres Nicolas Cage im Kopf herumspukt. Dafür sorgen seit über vierzig Jahre seine haarsträubenden bis anbetungswürdigen Auftritte. In »Dream Scenario« sucht er jedoch gerade als unscheinbare Figur Millionen von Leuten heim.
Paul Matthews ist einer dieser »kleinen Männer«, die tagtäglich unbeachtet durch die Welt wuseln. Auf den ersten Blick ist er klar privilegiert, nennt eine Professorenstelle, ein Dasein in der oberen Mittelschicht und eine einigermaßen funktionale Familie sein Eigen. Doch um die Wertschätzung steht es mager. Die Vorlesungen des Evolutionsbiologen sind spärlich besucht, sein Buchprojekt nimmt niemand ernst, und die Töchter schauen eher an ihm vorbei als zu ihm auf. Kein Wunder, dass Paul es schon als persönliche Beleidigung sieht, wenn seine Jüngste (Lily Bird) träumt, er würde nur teilnahmslos dastehen, während sie in Lebensgefahr schwebt. Welches Bild gibt man nur für die anderen ab?
Doch dann findet der missachtete Professor seinen Weg ins kollektive Unterbewusstsein. Er taucht plötzlich in den Träumen der Menschen auf, ob sie ihn nun kennen oder nicht. Er steht dort zwar nur wie bestellt und nicht abgeholt herum, aber das reicht schon aus, um ihn zum gefeierten Mann der Stunde zu machen.
Kristoffer Borgli bringt mit der ersten Hälfte von »Dream Scenario« eine wunderbare Mischung auf die Leinwand: die Absurdität der Handlung, Cages wie immer ganz eigene Präsenz, gezielte Seitenhiebe auf den Zeitgeist der (sozialen) Medien. Seine Hauptfigur pendelt dabei zwischen Begeisterung und Ernüchterung. Endlich steht er im Rampenlicht, aber gerade für einen solchen Unsinn? Nun ja, wenn es eben das Bild ist, das die anderen von einem sehen wollen.
Gerade als sich die bizarre Komödie entfaltet, wandelt sich Pauls Doppelgänger in den Träumen und die Stimmung des Films. Aus dem harmlosen Statisten wird ein alter, weißer Freddy Krüger, der die Träumer aufs Grausamste niedermetzelt. Der echte Paul ist genauso überrumpelt wie »seine Opfer« selbst. Das hilft ihm wenig, denn schnell überlagert die Illusion die Realität, wird das Traumgebilde zur erlebten Erfahrung. Nach und nach distanziert sich die Welt vom einst liebenswerten Loser, der nun eine reale Bedrohung ist. Selbst die, die es besser wissen müssten, folgen dem Reigen, der gegen ein imaginäres Feindbild antanzt. Das Bild, das die anderen sich von einem machen, können und werden sie gegen einen verwenden!
So wird »Dream Scenario« bitterer und ätzender als zunächst gedacht, ein gleichsam groteskes Zerr- und allzu wahres Abbild der Realität. Am Ende steht der »einfache Mann« als Depp zwischen allen Lagern (Farbe und Ausrichtung egal), die es besser wissen. Ist er nicht gerade die Witzfigur, dann eben der Schuldige, der zum Wohle der Gemeinschaft von ihr ausgeschlossen werden muss. Das bisschen Respekt, den er wollte, war schon zu viel verlangt. Im besten Falle spukt Cage einem danach im Kopf herum, wenn man gerade wieder Bilder der Realität malt. Besser als die anderen sind eben die wenigsten. ||
DREAM SCENARIO
USA 2023 | Buch & Regie: Kristoffer Borgli | Mit: Nicolas Cage, Lily Bird, Julianne Nicholson u.a. | 102 Minuten | Kinostart: 21. März | Website
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