Kevin Rowland, Sänger der Dexys hat viel mit sich gekämpft. Am Ende aber rettet ihn »The Feminine Divine« mit Album und Tournee.

Kevin Rowland

Der Soul-Bruder

dexys

Er kann es nicht lassen: Kevin Rowland (2.v.l.) ist weiterhin gerne Dandy unter Dexys, gerahmt von Jim Paterson, Michael Timothy und Sean Read | © Bruno Murar

Dexys sind ein typisches Gewächs der späten britischen Siebziger und haben im Laufe der Jahrzehnte ein buntes Spektrum von Erfolg und Häme abbekommen. Das liegt vor allem an ihrem Chef, Sänger und Komponisten Kevin Rowland, dessen meinungsstarke, tendenziell machistische Selbstüberschätzung in den frühen Phasen Bandbesetzungen und zuweilen auch Journalistinnen vergraulte, sich aber inzwischen zu einem skurril varietéhaften Gentlemanhumor gewandelt hat, der zum Markenzeichen der alten Tage geworden ist. Verkleidungen gehörten auch immer dazu, zunächst protoproletarisch im Scorsese-Straßengang-Stil mit Wollmützen und Lederjacken, dann ein wenig angepunkt mit Hoodie und Springerstiefeln. Es folgte ruraler Charme in Latzhosen, der die Zeit rund um das Erfolgsalbum »Too-Rye-Ay« 1982 prägte, dessen Single »Come On Eileen« bislang der wichtigste Hit der Dexys Midnight Runners blieb, wie die Band ursprünglich hieß. Dann gab es noch eine Schnösel-Phase in Anzügen, nicht ganz so provokativ wie damals Elvis Costello, der damit den englischen Kleinbürger persiflierte, bevor sich die Band erst einmal auflöste und Kevin Rowland versuchte, seine zunehmende Bedeutungslosigkeit in der Musikszene mit Kokain zu bewältigen. Das einst beliebte Aufputschmittel Dextroamphetamin, nach dessen Abkürzung »Dexys« die Band ursprünglich benannt worden war, hatte längst die Kraft verloren, seinen Helden noch zu pushen.

Am Ende dauerte das Comeback der einst in Birmingham gegründeten Combo bis ins vergangene Jahrzehnt. Inzwischen waren alte Kritiken verstummt, die meinten, die Dexys würden Soul für Menschen machen, die keine Chance gehabt hätten, echten Soul zu hören. Einstige Vorbilder wie Van Morrison wurden bereits als Legenden verehrt, Kollegen wie Simply Red hatten ähnliche Konzepte international erfolgreich zur Perfektion getrieben. Über Stilfragen machte sich in der Ära des verinnerlichten »Anything Goes« kaum noch jemand Gedanken, und so holte Kevin Rowland mit einer Neugründung die Band nach 27 Jahren Plattenpause im nostalgisch überhöhten Tweed-Anzug und mit einer Mischung aus Folk, Soul und erwachsenem Pop aus der Versenkung. »One Day I’m Going To Soar« wurde 2012 Kritikers Liebling und auch neben dem wohlwollenden Medienecho fanden sich die alten Fans wieder zusammen, um die irgendwie aus der Zeit gefallene Combo zu feiern. Vieles knüpfte an den Sound der Achtziger an, einiges aber hatte sich auch verändert. Denn der einstige Soul-Macho mutierte zum augenzwinkernden Frauenversteher, der sich in den Songs mal herzerweichend romantisch und mit bebender Stimme der eigenen Gefühlsintensität hingab oder sich sogar von Partnerinnen in der Band textlich in die Schranken weisen ließ.

Und da machten die Dexys noch eine Weile weiter, ein Livealbum und zwei Studiowerke bis hin zum aktuellen »The Feminine Divine«, was wiederum die Fans überraschte. Denn eigentlich sollte schon nach »Let The Record Show« 2016 Schluss sein, ein Ende mit Erfolg, das die ganzen schwierigen Phasen in den Neunzigern tunlichst vergessen ließ. Kevin Rowland, der im August seinen 70. Geburtstag feierte, schrieb aber weiter. Das Ewig Weibliche zog ihn hinan, er konnte nicht anders, als sein altes Thema der zwischenmenschlichen Anziehungskraft noch einmal musikpoetisch zu durchleuchten. Und so dreht sich auf »The Feminine Divine« alles um die Frau, oder besser um den Herren, der in verschiedenen Reflexionsstadien ihr zu Füßen liegt.

Das wiederum wäre ein wenig albern, würde Rowland bei allem Pathos nicht auch seinen lächelnden Humor einbinden. Und vor allem läuft er noch einmal kompositorisch zu alter Form auf. Die Dexys 2023 sind eine frisch groovende Soul-Band im trocken arrangierten Sound der Sechziger, und Lieder wie die Ballade »My Submission« und der Album-Rausschmeißer »Dance With Me« sind auch aus songwriterischer Perspektive gute, mitreißende Stücke. Es kann gut sein, dass nach dieser Tournee nun endgültig Schluss ist mit den Dexys. Einstweilen aber sollte man Kevin Rowland und seine effektvoll partyerprobten Nostalgiker noch einmal kräftig feiern. ||

DEXYS
Muffathalle | Zellstraße 4 | 2. Okt. | 20 Uhr | Tickets: 089 5481 8181

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