Das Festival »Female Peace Palace« zeigt Wissenslücken auf und beschert den Münchner Kammerspielen einen Spielzeithöhepunkt: mit »Green Corridors« der ukrainischen Dramatikerin Natalka Vorozhbyt, kongenial inszeniert von Jan-Christoph Gockel.

Green Corridors

Anreißen, nicht ausmalen!

green corridors

Svetlana Belesova und Johanna Eiworth (v.l.) in »Green Corridors« © Armin Smailovic

GREEN CORRIDORS/ANTI WAR WOMEN
Kammerspiele | 13., 14., 25., 26. Mai, 11. Juni/ 9., 10., 20., 21. Mai, 10., 11. Juni | 19.30 Uhr/20 Uhr | 9., 10. Mai, 10. Juni | 19.15 Uhr | »in my hands I carry«
Tickets 089 23396600

Im Frühjahr 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, kamen in Den Haag etwa 1500 Frauen aus 16 Nationen zum »Internationale Frauenfriedenskongress« zusammen. Die von ihnen über alle nationalen und ideologischen Fronten hinweg verabschiedeten Resolutionen hatten das Ziel, Kriege in Zukunft zu verhindern. US-Präsident Wilson nahm einige von ihnen in seinen 14-Punkte-Plan auf, freilich ohne die Urheberinnen zu erwähnen oder übliche Kriegsnebengeräusche wie etwa Vergewaltigungen ernsthaft ächten zu wollen. Und jetzt die Preisfrage: Wer hat davon je gehört? Diesen blinden Fleck der männlich dominierten Geschichtsschreibung erhellt zu haben ist das Verdienst von »Anti War Women – Wie Frauen den Krieg bedrohen«, das Jessica Glause ähnlich wie die Vorgänger-Stückentwicklung »Bayerische Suffragetten« als poppig-queere Lehrstunde ohne Lehre inszeniert hat, die in diesem Fall zumindest musikalisch punktet: mit der famosen Jelena Kuljić am Schlagzeug und einigen szenenapplauswürdigen Schlager-, Rap- und Punksongs (musikalische Arrangements: Eva Jantschitsch, besonders toll: Ensembleneuling Maren Solty). […]

[…] Während die szenische Intervention »In my hands I carry«, die die Regisseurin Miriam Ibrahim in Erinnerung an die afroamerikanische Bürgerrechtlerin Mary Church Terrell angerichtet hat, eher Beifangcharakter hat – Women of Colour gehen vor ausgewählten Aufführungen von »Anti War Women« durchs Schauspielhausfoyer – ist »Green Corridors – Vermessung eines Krieges« absolut hitverdächtig. Das neue Auftragswerk der ukrainischen Dramatikerin und derzeitigen Kammerspiele-Hausautorin Natalka Vorozhbyt, die mit ihrem bitterbösen Stück »Bad Roads« schon 2017 zerrissene Menschen in einem zerrissenen Land beschrieb, ist schwarzhumorig, analytisch und absolut verrückt. Es schreckt weder vor komplexen Zusammenhängen noch vor Fettnäpfchen in Sachen political correctness zurück und hat in Jan-Christoph Gockel seinen idealen Regisseur gefunden. Räumlich wie emotional rückt das deutsch-ukrainische Ensemble ganz nah an das Publikum in der Therese-GiehseHalle heran – mit den Erlebnissen von vier Ukrainerinnen auf der Flucht, die in Charkiw ihren Mann, in Tschernihiw zwei ihrer geliebten Katzen, in einer Massenvergewaltigung in Butscha ihr körperliches wie seelisches Heil und in Kyjiw wenig Dramatisches zurückgelassen haben. […]

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