Im Werkraum ist Shakespeares »Richard Drei« eine Frau. Was in der Aufführung der Falckenberg-Schüler aber egal ist.

Richard Drei

Macht hat kein Geschlecht

richard drei

Richard (Annika Neugart) »umgarnt« Anne (Carolin Wege) © Sima Dehgani

Richard III., das ist Shakespeares Meisterschurke, der seinen Weg auf Englands Königsthron mit Leichen pflastert. Wer ihm im Weg steht, muss weg, egal ob Verwandter oder politisch Vertrauter, der plötzlich Skrupel kriegt. Wäre auch eine Frau zu solchem mörderischen Vorgehen in der Lage? Und wie würde sie beurteilt? Das interessierte die Schweizer Autorin Katja Brunner bei ihrer feministischen Shakespeare-Überschreibung »Richard Drei«, an der der dritte Jahrgang der Otto-Falckenberg-Schule sich mit Regisseur Peter Kastenmüller im Werkraum erprobt.

In den Jahrgangsinszenierungen sollen sich alle Studierenden der Klasse möglichst gleichberechtigt präsentieren. Hier sind die meisten der zwölf Darsteller crossgender besetzt – voran natürlich die Hauptrolle. Dass Richard III. bucklig ist und hinkt, wie ihn Shakespeare beschreibt, war hier nicht vor-gesehen. Dennoch musste Annika Neugart wegen einer Fußverletzung unfreiwillig hinken, stand aber die Premiere souverän durch. Sie hebt sich als Einzige durch ihre Funktionskleidung mit blauer Öljacke und Radlerhose ab. Die rivalisierenden Clans York und Lancaster werden anfangs einzeln vorgestellt, sie posieren auf Highheels in rosa und hellblauen Anzügen mit viel Glitzerschmuck, die verwitweten Ex-Königinnen tragen Trauerschwarz. Ausstatterin Janina Sieber stellte eine breite Liege in den Raum sowie eine diagonal gefaltete Stellwand aus Acrylglas, worin die Akteure immer mal Aufstellung nehmen. Im Video zeigt Amon Ritz sie öfter kniehoch im Meer stehen – Hinweis auf drohenden Untergang? Zwischen den Szenen ist machtdemonstrierendes Posen, Tänzeln und Schaulaufen angesagt.

Doch fast jeder entwickelt eine Figur mit Charakteristika: Konstantin Schumann als charismatisch-zwielichtiger Günstling der Königin, Charlotte Hovenbitzer als Ex-Queen Lizzie beißt Richard in die Hand, als diese um deren Tochter wirbt. Komisch inszeniert Kastenmüller die Auftragsmörder (Abel Haffner, Luca Kühl), die über Scham und Schande diskutieren, ehe sie mit Kabel und Elektrozange zu Werke gehen. Witz haben auch der Killer Tyrrel (Lalo Daro, leider auch einen S-Fehler), und das arrogante Prinzi York (Luca Kühl) mit seinem Kuscheltier. Die Tragik liefert Lady Anne (Carolin Wege) und die nötige Mischung aus Brutalität und Verführungskunst Neugarts Richard.

Brunners feministische Überschreibung mit ihrer saloppen Sprache sucht am Ende gewaltsam den Weg zu den NSU-Opfern mit der Frage »Woraus ist der der Staat gemacht?« Die verwickelten Politverhältnisse und die Rolle der Geschlechtszuordnung erhellt sie keiner Weise, liefert aber eine Spielvorlage für eine erfreulich ausfallende Leistungsschau. ||

RICHARD DREI – MITTEILUNGEN DER MINISTERIN DER HÖLLE
Kammerspiele Werkraum | 11., 12. April | 19.30 Uhr
Tickets 089 23396600

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