Der neue Roman von Juli Zeh, den sie gemeinsam mit Simon Urban verfasst hat, nimmt die Themen der Vorgängerromane noch einmal auf.
Zwischen Welten
Pappkameraden
Eine Frau auf dem Land, ein Mann in der Stadt. Brandenburgische Provinz versus Hamburger Metropole. Juli Zeh hat einen neuen Roman geschrieben, »Zwischen Welten« gemeinsam mit Simon Urban, aber die Vorzeichen kommen einem bekannt vor, erinnernsie doch sehr an die Vorgänger »Über Menschen« (wo eine junge Frau vor ihrem Freund und den Corona-Maßnahmen aus Berlin nach Brandenburg flieht) und »Unter Leuten« (wo die brandenburgische Provinz ebenfalls von Stadtflüchtlingen heimgesucht wird). Brandenburg als Schauplatz für zwischenmenschliche Dramen und das Aufeinanderprallen von West und Ost hat schon zweimal funktioniert, wieso also nicht ein drittes Mal?
Irgendwie hat die Leserin von Anfang andas Gefühl, dass dieser Roman, der eigentlich ein moderner Briefroman ist – sich nämlich aus E-Mails und WhatsApp-Nachrichten zusammensetzt, unter Zeitdruck entstanden ist. Die beiden, die sich da schreiben, Theresa und Stefan, haben zusammen studiert, sich für Literatur begeistert und in einer WG gelebt. Bis Theresas Vater überraschend starb und sie ebenso überraschend den elterlichen Milchbetrieb in Brandenburg übernahm. Jahre später begegnen sich beide zufällig an der Alster wieder. Und arbeiten alles, was sie voneinander verpasst haben in den Jahren der Funkstille, via moderner Kommunikation auf. Im ganzen,über 400 Seiten langen Roman wird es nur ein weiteres persönliches Treffen geben, das – kleiner Spoiler – auch nicht besser laufen wird als das erste, das im Streit endete.
Die beiden Figuren leben maximal unterschiedliche Leben in maximal unterschiedlichen Umfeldern: Sie kämpft auf ihrem Milchhof mit bürokratischen Regelungen, ewiger Geldknappheit und den Folgen des Klimawandels. Er als stellvertretender Chefredakteur einer großen Zeitung macht sich um letzteren theoretische Gedanken (weil das dazugehört), seine Kämpfe aber sind eher die um eine ideologische Korrektheit auf ganzer Linie. Seine Welt der Gendersternchen steht ihrem Kuhstall diametral gegenüber. Ausgehend von ihrer zufälligen Wiederbegegnung konstruieren Zeh und Urban den Start einer umfangreichen Kommunikation, in der es vor allem darum zu gehen scheint, möglichst alle Debatten unserer Zeit unterzubringen. Klimawandel, AfD, Ukrainekrieg, Shitstorms, Cancel Culture, Stadt versus Land, Verschwörungstheorien, Ost versus West – alles drin. Wieschon in »Über Menschen« gibt es den netten Nazi von nebenan ebenso wie den überkorrekten Städter. Und wieder einmal bleibt am Ende die Frage offen, wer hier eigentlich die Identifikationsfi gur sein soll. Theresa, die nach einer Protestaktion mit jeder Menge Schweineblut als »Antiheldin der Nation« ausgerechnet auf dem Cover der von Stefan gelaunchten neuen Zeitung landet? Oder der überkorrekte Stefan, der schließlich einen Shitstorm als Frauenschläger am Hals hat? Irgendwie hat man zwischen all den offensiv und ungelenk gedroppten Informationen weder Zeit noch Lust, sich wirklich auf die Figuren einzulassen. Sie bleiben am Reißbrett – oder Bildschirm – entworfene Stellvertreter verschiedener Positionen. Pappkameraden irgendwie oder vielmehr: Pappkamerad*innen. ||
JULI ZEH/ SIMON URBAN: ZWISCHEN WELTEN
Luchterhand, 2023 | 448 Seiten | 24 Euro
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