Wie man vielleicht verschwindet und als wer man erscheint, das zeigt Léonard Engel in »Wusch! Zack! Puf!«, einem Tanzstück für Menschen ab sechs Jahren.

Léonard Engel. »Wusch! Zack! Puf!«

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léonard engel

v.l.n.r.: Jemima Rose Dean, Léonard Engel, Tamara Saphir | © Christian POGO Zach

Die Bühne leuchtet grün. Den Boden bedeckt ein grüner Teppich. Uneben, einzelne Steine, einzelne Flechten lassen den Raum zur Landschaft werden. Die Musik gluckert elektronisch, dann plötzlich ändern sich Licht- und Musikstimmung. Und die Steine beginnen zu schweben. Werden nach oben gezogen, zeigen bunte Fäden an ihrer Unterseite und sehen nun aus wie Quallen – und ganz plötzlich, mit einem »Wusch!« verwandelt sich die Graslandschaft in eine Unterwasserwelt. Magisch, für ein paar Augenblicke. Dann geht es zurück zur Graslandschaft. Solche Wechsel vollziehen sich in Léonard Engels Kinderstück »Wusch! Zack! Puf! – Wie man erscheint und verschwindet« im Theater HochX immer wieder.

Es sind die grundlegenden Mittel der Theaterarbeit: Man stellt etwas auf die Bühne, behauptet, es sei etwas anderes und erzählt von einer ganzen Welt. In seinem Stück macht Léonard Engel genau diese Mittel zum Hauptinhalt. Er und die beiden Tänzerinnen Tamara Saphir und Jemima Rose Dean treten zu Beginn in Ganzkörperanzügen auf, verschmelzen mit der Bühnenwelt. Grün mit dem Boden, schwarz mit der Wand. Einfacher Slapstick bringt die Kinder zum Lachen. Da traut sich jemand nicht aus der Kulisse hervor, dann wird jemand nicht gesehen, aus Versehen in den Teppich eingerollt, bricht wieder hervor. Zu einem Yann-Thiersen-artigen Klavierstück zeigt Tamara Saphir ein Schattenspiel. Keine eindeutigen Formen sind das, mehr unscharfe Bewegungen, die die tänzerische Energie als Silhouette an der Wand weiterführen. Später steigt Jemima Rose Dean darauf ein, beginnt als Mensch ein Spiel mit den Schatten, die nun entfernt an ein Paar Langhalssaurier erinnern und so – ganz nebenbei – an die Interessenwelt des Publikums anknüpfen. Die Bewegungen sind zum Teil an Geräusche wie aus einem Actionfilm gekoppelt, Hand nach vorne, »Druschsss«, Kopf nach Hinten, »Boing«. Die Antwort aus dem Publikum folgt sofort. »Das ist ein Superheld, oder?«, fragt ein Junge ziemlich laut. Über 40 Minuten ziehen sich die Wandlungen. Aus einem Grashügel wird ein kopfloses Fabelwesen, das ein hinreißendes, etwas tollpatschiges Solo tanzt. Nur ganz am Ende, wenn im Trio auf einfache Party-Beats wie im Club getanzt wird, geht die traumhafte Bedeutungsverschiebung ein wenig verloren.

Und dennoch kommt Engels Stück damit aus, ohne durch plumpe Handlung um die Gunst den Publikums zu buhlen. Trompel’Œil, Tricks und Täuschungen bringen zum Lachen und faszinieren. Sie stehen aber als reine Lust an Bewegungssprache, ohne narrativen Zweck. Und wer jetzt denkt, das sei für Kinder (ab sechs Jahren ist das Stück) doch viel zu kompliziert, zu abstrakt, der irrt gewaltig. Denn wer könnte Bewegungslust als reinen Selbstzweck besser verstehen als Kinder, die noch einen so natürlichen, unbändigen Bewegungsdrang haben. Die sich ständig bewegen, die freiwillig hüpfen, rennen, drehen, wann immer sie nicht ermahnt werden, sich jetzt mal ruhig zu halten. Eigentlich sind Kinder ein Idealpublikum für abstrakten Tanz. Und Léonard Engel zeigt ihnen hier noch auf wunderschön einfache Weise, welch analoger Zauber in guter Theaterarbeit liegt. ||

LÉONARD ENGEL: WUSCH! ZAK! PUF!
HochX | Entenbachstr. 37 | Do, 26.–Sa, 28. Jan.
10 Uhr (Do/Fr, Schulvorstellungen) + 15 Uhr (Sa)

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