Künstlerparadies und Tourismusmagnet: Capri einst und heute zeigen zwei bilderstarke Ausstellungen in Dachau.

Capri in Dachau

Die Zauberinsel

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Gianni Giacinto (*1837): »Marina Grande« | 1893 | Aquarell, 31 x 51 cm Courtesy Recta Galleria d’Arte, Rom | Foto: Arte fotografica, Rom

»Siehe Neapel und stirb!« Für Goethe hätte Capri fast das Ende bedeutet: 1787 drohte das Segelschiff, in gefährlicher Strömung, an der felsigen Küste der Insel zu zerschellen. Ähnlich erging es 1826 dem Dichter und Maler August Kopisch in einem Ruderboot – nachdem er die »Blaue Grotte« entdeckt hatte. Dieses neue Weltwunder lockte bald mehr und mehr Besucher nach Capri. Die klippenreiche und felsenschöne Insel hatte einst Octavian (Kaiser Augustus) von den Neapolitanern gegen Ischia eingetauscht. Sein Nachfolger Tiberius bebaute sie mit Villen, frönte unbeobachtet seinem legendären ausschweifenden Leben und regierte von seinem Wohnsitz aus, auch mittels Signalfeuern an die Präfekten. Die Reste seines riesigen Palastes, andere Sehenswürdigkeiten sowie die zauberhafte Landschaft dieses Eilands lassen sich nun in derschönen Ausstellung der Dachauer Gemäldegalerie entdecken.

Das früheste der über 80 Bilder ist 1818 datiert und zeigt Fischer in der Bucht vor Positano mit der Insel Capri in der Ferne. Joseph Rebell, der nach seiner Zeit in Italien zum Professor für Landschaftsmalerei in Wien berufen wurde, hat die »malerischen« Elemente nach akademischer Konvention durchdekliniert. Farbkräftiger und mit frischem, kühnerem Blick dann die Ansichten der Freilichtmalerei späterer Generationen: Der Dachauer Ludwig Dill malte 1874 die Gischt der »Meeresbrandung« zwischen den Felsen, perspektiviert aus unmittelbarer Nähe, die er selbst einmal, seekrank, an einen Fels gekrallt, erlebt hatte.

Nicht fehlen darf natürlich die Blaue Grotte – und groß ist auch insgesamt der Reichtum an Blautönen in Himmel und Meer, besonders schön in der »Felsenküste mit den Faraglioni« (1886) des unbekannten Rudolf Schuster. Es gibt interessante Stimmungen im Morgen- und Abendlicht, etwa vom Düsseldorfer Oswald Achenbach, von Karl Lindemann-Frommel oder vom Dresdener Georg Estler. Besondere Licht-Akzente setzt der Buchgestalter Stefan Georges, Melchior Lechter, in seinen Pastellen. Die Malerei der italienischen Künstler scheint – verglichen mit den Bildinszenierungen der aus dem Norden Angereisten – von einem quasi alltäglichen sonnigen Licht gesättigt.

Im 19. Jahrhundert besuchten zahlreiche Maler dieses spezielle Ziel der Bildungsreisen. Manche nur kurz, von der Küste aus, andere lebten hier länger – und machten die kleine Insel zu einer Künstlerkolonie. Der gastfreundliche Notar Giuseppe Pagano, Mitentdecker der »Grotta azurra«, hatte 1857 ein Hotel eröffnet. Die benachbarte »Birreria di Monaco« mit PschorrBier, deutschen Zeitungen und permanenter Kunstausstellung wurde 1889 umbenannt: »Zum Kater Hiddigeigei«, nach der Titelfigur des Gedichts von Joseph Viktor von Scheffel. Es gab dort freilich auch Afternoon Tea. Wer nicht im Künstlertreff »Albergo Pagano« wohnte, nahm ein Zimmer im Städtchen Capri oder in Anacapri oder mietete ein abgeschiedeneres Häuschen in der Landschaft. Der Münchner »Kohlrabi-Apostel« Karl Wilhelm Diefenbach scharte seit 1899 auf Capri Jünger und Schüler um sich, die sich in seine Tochter Stella verliebten, die hier als symbolistischer Rückenakt gemalt zu sehen ist. Über die Lebensstationen von Aussteigern und Sonderlingen, Malerinnen und emanzipierten Frauen wie Ilna Ewers-Wunderwald informiert der schöne Katalog (20 Euro).

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Raffaela Mariniello (*1961): »Catene«, aus der Serie »Capri Teorema« | 2016 Fotografie, Pigmentdruck | © Raffaela Mariniello

Die immer neue Aspekte eröffnende Schau versammelt Leihgaben von Flensburg bis Neapel, viele aus Privatbesitz. Man kann hier Blicke genießen, Verbindungen herstellen und spazierengehen, als wäre man selbst auf Capri unterwegs, mit seinen Aufstiegen und Ausblicken, Felsen und Serpentinen, Pflanzen und Menschen, Gebäuden und Gärten, Küsten und Kakteen, Fischern und Eseln.

Eines der berühmten Gebäude der Insel ist in der Neuen Galerie zu bestaunen: die heute nicht mehr zugängliche Villa von Curzio Malaparte. Der Autor ließ in dieser »casa come me« seine eigenen Vorstellungen verwirklichen, und der Architekturfotograf Klaus Frahm dokumentierte 1999 in einer Serie die atemberaubende Lage und die grandiosen Fensterblicke. Das heutige Capri, dem sich diese Schau widmet, präsentiert sich in einer Sound-Installation des lokalen Kulturmanagers Bruno Flavio. Und in Ansichten von Luxuslinern, der Piazza Umberto an einem Regentag mit langer Schlange vor der Talstation der Bergbahn, Bildern von Fischern und von der Gischt des gebürtigen Capresen Enrico Desiderio. Hier heimisch seit Generationen ist auch Gianluca Federico, dessen skulpturale CollageInstallation von Meerestieren und der berühmten blauen Eidechse in der Mitte, gegenüber dem Eingang platziert ist. Eine Skulptur von Federico – eine unterseeisch bewachsene Kuh – schmückt in Capri den Hafen der Ausflugs-Boote: zu sehen auf einem Foto aus der faszinierenden »Capri Teorema«-Serie von Raffaela Mariniello. Sie verleiht der vom Tourismus abgenutzten Insel ein eigenes magisches Licht. Wenn beim Aussichtspunkt »Eremo« mit Blick auf die Faraglioni-Felsen die Sonne durch den Nebel strahlt oder am frühen Abend viele Lichterchen das Panorama der Marina Grande illuminieren und die kalten, verzinkten Ketten auf ihren nächsten Einsatz warten. ||

ZAUBERHAFTES CAPRI. EIN PARADIES FÜR KÜNSTLER
Gemäldegalerie Dachau | Konrad-Adenauer-Str. 3
Di–Fr 11–17 Uhr, Sa/So/Fei 13–17 Uhr

SALUTI DA CAPRI! EINE INSEL ZWISCHEN IDYLLE UND TOURISMUS
Neue Galerie Dachau | Konrad-Adenauer-Str. 20
Di–So/Fei 13–17 Uhr | beide Ausstellungen bis 12. März 2023
Kombi-Führung: 13. Nov./11. u. 26. Dez./6. u. 26. Jan., jeweils 14 Uhr, Anmeldung: 08131 5675-1
Website

Weitere Ausstellungsbesprechungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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