Der Espace Louis Vuitton zeigt packende Fotografien von Zanele Muholi und David Goldblatt.

Zanele Muholi & David Goldblatt

Gegen die Diskriminierung

zanele muholi

Zanele Muholi: »Somnyama Ngonyama. Zinathi I, Johannesburg 2015« Silbergelatineabzug, 70 x 44,9 cm © Zanele Muholi, Courtesy of the Fondation Louis Vuitton

Zanele Muholi bezeichnet sich selbst als nichtbinäre Person, ist weltweit bekannt für Fotografien, Gemälde, Videokunst sowie Installationen – und tritt entschieden, aktiv und kämpferisch für LGBTQIA+-Rechte ein. Also für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, Queer- und alle Menschen, die sich in heteronormativen Welten nicht zu Hause fühlen. Gemeinsam mit der südafrikanischen Fotografen-Legende David Goldblatt (1930–2018) wird Zanele Muholi, geboren 1972 im südafrikanischen Umlazi, im Espace Louis Vuitton am Münchner Max-Joseph-Platz in einer beeindruckenden Foto-Ausstellung unter dem Titel »From South Africa« präsentiert.

Muholi bezeichnet sich auch noch als »visuelle*r Aktivist*in« und verwendet das geschlechtsneutrale englische Pronomen »they« für sich – dem wir weitgehend nachkommen wollen. In Muholis Arbeiten rücken die Lebenswirklichkeiten der schwarzen LGBTQIA+-Community Südafrikas ins Blickfeld. Denn: Südafrika hat zwar mit die liberalsten und fortschrittlichsten Antidiskrimierungsgesetze und als fünftes Land der Erde lange vor Deutschland bereits 2006 die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Die Öffentlichkeit – besonders außerhalb der Städte – begreift allerdings schon Homosexualität weitgehend als Tabu. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung, 63 Prozent, meint, offenes queeres Leben solle nicht akzeptiert werden. Und 2009 weigerte sich die südafrikanische Ministerin für Kunst und Kultur, Lulu Xingwana, sogar, eine Ausstellung mit Fotos Muholis zu eröffnen. Die Bilder seien unmoralisch, beleidigend und dienten nicht der Bildung einer geeinten Nation.

Übergriffe blieben nicht aus. So wurden 2012 bei einem Einbruch in Muholis Wohnung versteckte Festplatten mit wichtigen Arbeiten und Arbeitsgeräte entwendet. Auch leiden lesbische Frauen unter Prügel- oder Vergewaltigungsdelikten. Beliebt: Korrekturvergewaltigungen. Die erfolgen mit dem (vorgeblichen) Ziel, Lesben heterosexuell zu machen. Schwarze und Inderinnen sind besonders betroffen. Dazu kommt, dass der Polizei nachgesagt wird, solche Hassverbrechen, gegen die es keine Gesetzgebung gibt, zu ignorieren. Muholi erhielt 2013 eine Honorarprofessur an der Kunsthochschule in Bremen, war 2019 auf der 58. Biennale in Venedig vertreten und hinterfragt die fehlende Präsenz der schwarzen LGBTQIA+-Community in den Mainstream-Medien, im Sportwesen, in der Literatur und den bildenden Künsten. Seine/ihre Arbeit begreift er/sie als wachsendes Archivdieser marginalisierten Community, der er/sie Sichtbarkeit und Stimme verleiht.

In der vorgestellten Serie »Faces and Phases« porträtierte Muholi, der/die 2009 in Toronto sein/ihr Studium in der Sparte Dokumentation mit dem Titel »Master of Fine Arts« abschloss, zuerst gendernichtkonforme Menschen aus Südafrika, später auch aus anderen Ländern. Die Modelle werden in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens porträtiert, stehen frontal vor der Kamera und fixieren die Betrachter mit einem offenen und direkten Blick. Muholi bittet sie immer darum, Haltung zu bewahren, aufrecht zu stehen. Nicht zuletzt, um ihre Würde zu wahren. Inzwischen umfasst diese bis heute fortgesetzte Serie 500 Bildnisse – ein kollektives Porträt der schwarzen LGBTQIA+-Community.

zanele muholi

David Goldblatt: »Klein Pella (Dattelplantage), Northern Cape, 5. June 2004« Digitaldruck mit Pigment-Tinte auf Baumwollpapier 102,7 x 128,8 cm © The estate of David Goldblatt, Courtesy Goodman Gallery; Photo credits: © Primae/Louis Bourjac

2014 startete Muholi einen Zyklus von Selbstporträts mit dem Titel »Somnyama Ngonyama«, was in ihrer Sprache Zulu »Sei gegrüßt, dunkle Löwin« bedeutet.. Die dabei getragenen Verkleidungen und Accessoires wirken fremd auf uns und rufen voller Absicht Stereotype über die afrikanische Frau und das Weibliche hervor. Häufig weiß man nicht genau, woraus dieser am Körper getragene Zierrat überhaupt besteht. Muholi formt aus weltweit vorgefundenen Gegenständen wie Kabelbindern, Schnüren, Drahtgeflechten, schwarz-weißen Schnürsenkeln, KunstpelzAnhängern und vielem mehr vermeintlich traditionellen Schmuck, der in seinen/ihren Selbstporträts getragen wird. Dabei ist der Blick fest und zugleich verletztlich. Muholi kommt dabei immer wieder auf Arbeiterfiguren zurück. Eine davon ist die Magd. »Bester I«, eine Hommage an Muholis Mutter Bester, erinnert an deren Leben, die als Hausangestellte lebenslang im Haus einer weißen Familie arbeitete. Muholi trägt dabei einen gewebten Teppich als Umhang. Hölzerne Wäscheklammern sind zu einer künstlichen Igel-Frisur in die Haare geklemmt. Die Lippen sind mit Zahnpasta aufgehellt. Das Ganze besitzt eine fast naive Unschuld, kombiniert mit Widerstandsfähigkeit, Anklage und – nicht zu vergessen – auch Humor. Utensilien der Hausarbeit bevölkern in ständig sich verändernder Varianz seine/ihre Fotografien. Zu sehen: Hausschwämme, Gummihandschuhe, Vakuumschläuche, Sicherheitsnadeln. Viele Selbstporträts sind eine direkte Reaktion auf aktuelle Ereignisse oder persönliche Erfahrungen.

David Goldblatt, der im Erdgeschoss mit einigen farbigen, großformatigen, stillen Landschaften präsentiert wird, fotografierte Menschen, Landschaften und »Strukturen« des Landes, wie er architektonische Objekte bezeichnete. Schwarz-Weiß-Fotografie setzte er als Mittel dokumentarischer Sozialkritik ein und schuf ein Werk ausdrucksstarker Bilder, die die auffälligen Gegensätze in den Lebens- und Wohnverhältnissen der Schwarzen und Weißen in Südafrika festhielten. Muholi belegte 2001 einen Kurs in Goldblatts Market Photo Workshop und wurde im Lauf der Zeit zu seinem Mentee. Dabei inspirierte Goldblatts politisch engagierte Arbeit Muholi zur kritischen Reflexion der anhaltend ungerechten Behandlung der LGBTQIA+-Community in Südafrika. ||

ZANELE MUHOLI – DAVID GOLDBLATT. FROM SOUTH AFRICA
Espace Louis Vuitton | Maximilianstr. 2a
bis 8. Januar | Mo–Fr 12–19 Uhr, Sa 10–19 Uhr
Eintritt frei

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