Was bekommen wir vom Theater in München im Mai und Juni? Hier eine Übersicht. Die kompletten Texte finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

Theater in München: Mai / Juni 2022

 

Ist mein Mikro an?

theater in münchen

Elisa Arnolds ist nicht Greta Thunberg © Adrienne Meister

Die Botschaft an die Älteren ist klar: »Es ist vorbei, eure Zeit ist abgelaufen, wir sind dran.« Und ja, Recht haben sie. Die Welt, die den Jugendlichen hinterlassen wird, ist keine, auf die man stolz sein kann. Jeden Tag sterben hunderte Tierarten aus, verschwinden viele Fußballfelder Regenwald. »Wenn ihr über die Zukunft redet, fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass ich sie erleben werde.« Gerade weil die Mädchen und jungen Frauen die Texte so direkt, so offen, sympathisch und klar vortragen, treffen ihre Worte. Es geht um ihr Leben und ihre Zukunft. Die ja zumindest in Teilen auch unser aller Zukunft ist. Eins ist klar: »Ihr wollt Lösungen, mit denen ihr weiterleben könnt wie bisher, aber die gibt es nicht.« Dieser Abend ist kein Jung gegen Alt, kein Gegeneinander, sondern vielmehr der dringliche Aufruf zu einem neuen Miteinander. Ein Bewusstmachen der anderen Perspektive, der jungen: In kleinen Monologen schildern die Mädchen Alltagssituationen, in denen sich ihre Not spiegelt. (Anne Fritsch)

IST MEIN MIKRO AN?
Marstall | 9., 25. Mai, 2. Juni | 18 Uhr
3., 23. Juni | 10 Uhr | 22. Juni | 19 Uhr
Tickets: 089 21851940

 

Fata Morgana

fata morgana

Ruth Bosung, Lorenz Hochhuth und Maral Keshavarz influencen | © Stefan Loeber

Stormy und Toni sind Influencerinnen, eine von ihnen soll das Gesicht der Werbekampagne für das neue Projekt des Resorts Fata Morgana werden. Welche Ehre. Allerdings gibt es einige Verbote: Der Staat, in dem die Ferienoase liegt, darf nie genannt werden. Tabu sind auch Religion, Politik, Sexualität, Menschenrechte, Frauenrechte, Sklavenarbeit, Öl, Waffen, Drogen, Pressefreiheit usw. (…) Der Autor Julian Mahid Carly persifliert boshaft und pointiert die Fake-Welt der Influencer. Als Regisseur gibt er den Schauspielern Auslauf mit aberwitzigen Einfällen und gutem Timing. Sein Volkstheater-Debüt weckt Hoffnung auf mehr von ihm. (Gabriella Lorenz)

FATA MORGANA
Volkstheater | Tumblingerstr. 29 | 9., 11., 18. Mai | 20 Uhr | 27. Mai | 19.30 Uhr | Tickets: 089 5234655

 

Johanna von Orleans

theater in münchen

Karls Gefolge (Henriette Nagel, Liv Stapelfeldt, Max Poerting) | © Judith Buss

Nikolas Darnstädt klaut von Schiller den Plot, verkürzt aber dessen Text auf die wichtigsten Handlungsscharniere und ergänzt sie mit eigener Esoterik, inklusive Kapitalismusund Rüstungskritik. Die Jungfrau im Titel ersetzt er durch den Namen Johanna, der gehört nun einer mit Martial-Arts-Künsten begabten Hexe. Die Kriegsfeinde sind zwei Waffenkonzerne im Konkurrenzkampf: Frankreich heißt Schwertreich, England Schwortland. (…) Nur die Wonderwoman Johanna äußert gelegentlich Verständliches und zeigt ihre magisch-martialischen Kräfte an Seilen fliegend, das beherrscht Nina Steils beeindruckend souverän und artistisch. Aber auch toll choreografierte Kampfszenen machen aus einer oberflächlichen Idee keinen Fantasy-Kosmos. Der Versuch geht krachend daneben. (Gabriella Lorenz)

JOHANNA VON ORLEANS
Volkstheater | Tumblingerstr. 29 | 10., 12., 29., 30. Mai | 19.30 Uhr | Tickets: 089 5234655

 

Parzival

parzival

Die Laufschrift erläutert Personen- und Ortswechsel (Wini Gropper, Sarah Schuchardt, Pia Kolb) | © Franz Kimmel

Regisseur Arno Friedrich hat sich die Heldenerzählung, die Wolfram von Eschenbachs mittelalterliches Epos wie Richard Wagners Opernfantasie angeregt hat, gut gelaunt zur Brust genommen und als ironische Clownerie wieder ausgespuckt. In seiner »postheroischen« Bühnenadaption trippeln die Schauspieler*innen Wini Gropper, Pia Kolb und Sarah Schuchardt im Minipulk auf die Szenerie; Gropper ganz im schillernden, aber home-office-schluffig weichen Silbergewand zwischen den mit Kriegsbemalungsrouge geschminkten Frauen eingeklemmt. Diese Dreieinigkeit hat nun gut zwei Stunden Zeit, den jungen Parzival aus der Unmündigkeit hinaus zu führen, in der ihn seine Mutter Herzeloyde hat groß werden lassen, damit ihm der Rittertod seines berühmten Vaters Gahmuret erspart bleibe. (Sabine Leucht)

PARZIVAL
Theater Viel Lärm um Nichts | Pasinger Fabrik | bis 28. Mai
Do bis Sa 20 Uhr (nicht 5.–7. Mai) | Tickets: 089 82929079

 

Ja, Mai

Theater im Mai

Meister des Geplauders mit tiefen Unterströmungen: Händl Klaus | © Sonja Neufeld

An »Dunkel lockende Welt« von Händl Klaus an den Kammerspielen werden sich sicher noch einige erinnern. Für das Festival »Ja, Mai« hat Staatsopernintendant Serge Dorny sich mit Volkstheater, Residenztheater und Kammerspielen zusammengetan, um die »Schwetzinger Trilogie« von Georg Friedrich Haas zu Librettis von Händl Klaus auf die Bühne zu bringen. (Silvia Stammen)

BLUTHAUS
Cuvilliéstheater | 21., 25. Mai | 20 Uhr | 26., 28., 29. Mai | 20.30 Uhr
Tickets: 089 21851940

THOMAS
Utopia (ehem. Reitalle) | 23., 25., 27. Mai | 20 Uhr | 29. Mai | 14 Uhr
Tickets: 089 21851920

 

Wer immer hofft, stirbt singend

die artisten in der zirkuskuppel

Leni Peickert (Julia Gräfner) will den Zirkus retten © Maurice Korbel

Das Schlussbild passt perfekt zu einem Theaterabend, der sich ganz der Denkakrobatik Alexander Kluges widmet. Der Regisseur Jan-Christoph Gockel und der Dramaturg Claus Philipp übersetzen in »Wer immer hofft, stirbt singend« Kluges überquellenden Gedankenfundus in die theatrale Form. Dafür greifen sie auf einen von Kluges bekanntesten Filmen zurück. In »Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos« von 1968 erzählt Kluge die Geschichte der Artistin Leni Peickert, die einen neuen Reformzirkus gründen möchte, nachdem ihr Vater bei einem Sturz vom Trapez ums Leben kam. (Tobias Obermeier)

WER IMMER HOFFT, STIRBT SINGEND
Kammerspiele | 22. Mai | 20 Uhr | Tickets: 089 23396600

 

Tartuffe oder das Schwein der Weisen

theater in münchen

Mutter Pernelle beobachtet Tüffi und Orgi (Katja Jung, Nicola Mastroberardino, Florian von Manteuffel) | © Birgit Hupfeld

»Tüffi« und »Orgi« heißen sie hier, die beiden Protagonisten in Peter Lichts »Überschreibung« von Molières Komödie über die Machenschaften des frömmelnden Heuchlers Tartuffe und des in blinder Hörigkeit diesem Schwindler verfallenen Familientycoons Orgon. Doch statt einer Comedy hat der Autor in seiner »Tartuffe«-Bearbeitung zum allergrößten Teil nur ein Sammelsurium an Kalauern aneinandergereiht, das von der Regisseurin Claudia Bauer spätestens im zweiten Teil nur noch als schale Gaudi in einer fast dreistündigen Sause auf die Bühne gehievt wurde. (Hannes S. Macher)

TARTUFFE ODER DAS SCHWEIN DER WEISEN
Residenztheater | 12. Juni | 18.30 Uhr | 27. Juni | 19.30 Uhr
Tickets: 089 21851940

 

Lola M.

Lola M

Unter der Krone wird die königliche Affäre verjazzt (Ensemble) | © Birgit Hupfeld

Ursprünglich plante der Autor, Komponist und Regisseur Georg Ringsgwandl eine Art Trash-Oper – ähnlich wie sein Musiktheaterspektakel »Ludwig II. – Die volle Wahrheit« 1998 an den Münchner Kammerspielen. Das für Frühjahr 2020 angekündigte Projekt wurde in der Pandemie-Wartezeit abgespeckt auf eine konzertante Version. Die Handlung wird nun nur noch erzählt in den 26 Songs und angedeuteten Spielszenen der vier Schauspieler. Aber diese vermitteln in 100 Minuten mit den frechen Liedern die royale Skandalaffäre und die Gedanken ihrer Protagonisten so plastisch und lebendig, dass man die Geschichte nicht mehr als Drei-Stunden-Oper braucht. (Gabriella Lorenz)

LOLA M.
Cuvilliéstheater | 8., 16. Juni | 19.30 Uhr
Tickets: 089 21851940

 

In the Name of

theater im mai

Svetlana Belesova, Isabell Antonia Höckel, Anton Nürnberg, Bernardo Arias Porras | © Armin Smailovic

Ein Wortspiel mit Zahlen hat sich die Regie aus dem Text herausgefischt, mit dem die 1985 in Israel geborene Liat Fassberg 2021 den Münchner Förderpreis für deutschsprachige Dramatik gewann. Der heißt »In the name of« und ist inhaltlich krass und formal höchst ungewöhnlich. Die Worte – und Zahlen – sind in ihm nicht aneinandergereiht, sondern über die Zeilen und Seiten versprengt, und um die Fetzen hat Fassberg Post-its mit Kommentaren, Lexikon- und Zeitungsausschnitte gruppiert. Mehr bildende Kunst als Stücktext verlangt er wie der Talmud nach einer dialogischen Lektüre – und nach Entscheidungen. Für den Abend, der daraus an den Münchner Kammerspielen entstanden ist, erwies sich diese Freiheit eher als Fluch, denn Joel-Conrad Hieronymus, Regieassistent am Haus, hat aus dem erschöpfenden Material über die Praxis der Zwangsadoption, die bis in die jüngere Vergangenheit in etlichen Ländern von Kanada bis Australien Familien, Seelen und Identitäten zerriss, die meisten Fakten getilgt außer den Zahlen, die er seinem sechsköpfigen Cast allerdings eher zur Lautmalerei überlässt. (Sabine Leucht)

IN THE NAME OF
Werkraum | wieder im Juni
Tickets: 089 23396600

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