Eine Wiederentdeckung: Im Künstlerhaus ist eine kleine Werkschau des Impressionisten Paul Paede zu sehen.
Paul Paede im Künstlerhaus
Sommertage am Ammersee
Ein glücklich gelegenes Sommerquartier in Schondorf: direkt am Seeufer, nur einen Katzensprung entfernt vom Badeplatz, mit Garten und Baumschatten, mit eigenem Steg und Bootshaus. Ein Paradies für Sommertage am Ammersee. Nur der Nachbar Hans Pfitzner beklagte sich über den Lärm der Paede-Kinder, wie in der Familienüberlieferung erzählt wird. Eine Ansicht des Hauses vom Wasser aus ist in der Ausstellung im Münchner Künstlerhaus zu entdecken; die impressionistische Fleckenmalerei zeigt kein strahlendes Licht unter blauem Himmel, sondern eine bewegte Wolkendecke, die sich im See spiegelt; ein Angler auf dem Steg belebt als Detail die Szenerie.
Aus Familienbesitz und privaten Sammlungen – von insgesamt elf Leihgebern – speist sich die von Silvia Carola Dobler kuratierte Schau, die 2019 im Studio Rose in Schondorf erstmals eine Wiederentdeckung dieses Münchner Malers ermöglichte und nun in den Clubräumen im dritten Stock des Künstlerhauses 50 Gemälde präsentiert. Dass Paede als deutscher Impressionist nicht – wie Liebermann, Corinth und Slevogt – in aller Munde ist, sondern heute nur Kennern geläufig ist und im Kunsthandel keine Höchstpreise erzielt, mag daran liegen, dass er nicht an den Revolutionen dieser modernen deutschen Malerei teilnahm, weil er erst 10, 20 Jahre später seine Laufbahn begann. Auch trumpfte er – innerhalb der Genres Akt, Porträt, Landschaft, Interieur, Genreszenen, Stilleben – motivisch nicht mit großen Würfen auf. In der Ausstellung freilich überzeugen viele Bilder bei genauerem Hinschauen durch die psychologische und atmosphärische Subtilität und die koloristischen Qualitäten des Malers.
1929 starb Paul Paede in München an Lungenkrebs, derselben Krankheit, durch die der 1868 in Berlin Geborene früh seine Mutter verloren hatte. Aus einfachen Verhältnissen stammend machte er nach der Volksschule eine Lehre als Lithograph, arbeitete dann in einer renommierten Druckerei in Hannover, bis er sich im Mai 1900 an der Münchner Akademie immatrikulierte. Er studierte bei Ludwig von Löfftz, einem Schüler, dann als Professor Nachfolger von Wilhelm von Diez. Diez hatte mit seiner Hinwendung zum malerischen Kolorismus an der Akademie der Entwicklung vom Historismus zur Moderne den Weg bereitet, wovon auch seine Schüler Wilhelm Trübner, Max Slevogt, Fritz Mackensen und Franz Marc zeugen. Ebenso Löfftz, zu dessen Schülern wiederum Anton Ažbe (der Lehrer Kandinskys und Jawlenskys) und die Impressionisten Hans Olde, Ernst Oppler und Lovis Corinth zählten. Schon nach dem ersten Semester bekam Paede ein Stipendium, wurde später Mitglied der Münchner Künstlergenossenschaft und war auf Ausstellungen vertreten.
Erfolgreich war er speziell mit seinen Frauenakten: im Sessel, lesend auf dem Bett, vor dem Spiegel. Ein intimes Moment der Selbstbetrachtung, des Sinnens, des Innehaltens zeichnet diese Aktdarstellungen oft aus, wie beim Bild einer jungen Frau vor dem Bett, in einem Moment zwischen Ent- und Bekleidung. Möglicherweise trennt der Vorhang hinter der Liegestatt den Atelierraum des Künstlers vom Schlafbereich; die bescheidene Familienwohnung in der Viktor-ScheffelStraße umfasste nur noch eine kleine Küche und eine kleines Wohnzimmer. Als Aktmodell fungierte Paedes 22 Jahre jüngere Frau Olga, die er 1912 geheiratet hatte; auch malte er gern die Familie. Im Garten des Sommeraufenthalts in Schondorf sitzen die Söhne Paul und Walter mit der Mutter und einem Mädchen am blumengeschmückten Tisch – oder Paul und die wiederum mit Näharbeiten beschäftigte Mutter, als wäre der Maler gerade eben von seinem Stuhl aufgestanden. Paede malte auch die Hinterlandschaft von Schondorf, das Flüsschen Windach, Waldlandschaften und Akte unter Bäumen. Oder er ruderte auf dem See, hinüber ans Ostufer nach Breitbrunn.
Menschen am Wasser: In einem der kleineren Formate auf Malpappe rahmt der Uferbewuchs den Blick auf eine Frau und ein Mädchen, sitzend auf dem angelandeten Boot vor dem Hintergrund der Seelandschaft. Solche Zöpfe trägt auch das Bild eines namentlich bekannten »Modells«, einer Dießenerin. Das Mädchen mit dem rot-grün gemusterten Kleid hat sich im Boot in Pose gesetzt, dabei lässt sich – mit Haut und Haar, mit aufmerksamem Blick und flirrender Lichtspiegelung – in diesem Bild Sonnenglanz und Sommerluft atmen, das Farbenspiel im Wasser spüren. ||
PAUL PAEDE – EIN DEUTSCHER IMPRESSIONIST
Münchner Künstlerhaus | Lenbachplatz 8
bis 7. Mai | geöffnet nach Absprache: 089 599184-0 | Der Katalog (44 Seiten) zur Ausstellung in Schondorf 2019 kostet 20 Euro
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