Róisín Murphy in der Muffathalle, die Tindersticks in der Isarphilharmonie, Sona Jobareth im Ampere – Pop darf wieder. Jetzt heißt es, mit famosen Optionen das Publikum wieder in die Hallen zu holen.

Róisín Murphy, Tindersticks, Sona Jobareth

Und los!

róisín murphy

Chamber Pop-Pioniere: Die Tindersticks aus Nottingham | © Christophe Agou

Die einen kommen nicht wieder. Denn sienhaben sich während der vergangenen zwei Jahre neu eingerichtet, teure Unterhaltungselektronik gekauft und das eigene Wohnzimmer in Ermangelung anderer Spielwiesen zum Hightechstandort fortentwickelt. Sie haben sich auch neue soziale Umgangsformen angewöhnt, Treffen im kleinen Kreise von Wahlverwandtschaften, eine Art Retrobiedermeier mit exklusiver Salonkultur. Um die anderen Menschen jenseits der Abgeschotteten und der schon auch mal unbekümmert spreadernden, dafür aber leicht wieder zu motivierenden Partygemeinde muss man werben. Denn natürlich ist der Reflex auf die angekündigte Öffnung zunächst Begeisterung. Man darf wieder losziehen, wenn auch in der Regel mit Maske. Aber man muss es dann auch tun. Denn im Unterschied zur zwangsenthaltsamen, aber feieragilen Jugend, die manchen Rausch erst noch erleben muss, um ihn im Nachhinein belächeln zu können, ist die Anziehungskraft der Relaxsitzguppe im Eigenheim der solventen Best Ager groß.

Manche Künstler sind sich dieser neuen Konkurrenz durch die gesundheitsvorsorglich unterstützte Trägheit bewusst und versuchen, gleich ein bisschen mehr als noch vor ein paar Jahren zu bieten. Zum Beispiel die Tindersticks. Die Band um den Sänger und Diseur Stuart A. Staples aus dem britischen Nottingham feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen und gönnt sich aus diesem Grund nicht nur eine Jubiläumstournee, sondern auch orchestrale Unterstützung der eigenen akustischen Noblesse. Mit Blick auf das musikalische Konzept macht das Sinn, schließlich bevorzugen die Tindersticks das Langsame und Epische der klanglichen Erzählung. Über mehr als ein Dutzend Alben hinweg hat Staples seinen Bariton als Prototyp zeitgenössischer Melancholie im Stilsegment des erwachsenen Pop verankert, der in der Entschleunigung die große Geste pflegt. Zum Bandgeburtstag halten die Tindersticks am 25. April (20 Uhr) daher gleich in der Isarphilharmonie Hof, mit einem zweigeteilten Programm, das eine Hälfte Originales in gewohnter Quintettbesetzung verspricht, ein zweites aber mit orchestraler Unterstützung und Überraschungsgästen.

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Erst Trip-Hop, dann Electropop: Róisín Murphy ist eine schrille Diva des Pop | © Warner Records

Ein weiteres Beispiel ist Róisín Murphy. Als Trip-Hop noch eine mit Drum & Bass verschnittene, auf Weltschmerz gedimmte Version von New Wave war, war sie als Sängerin von Moloko neben Portishead die führende Stimme der Szene. Anfang der Nullerjahre navigierte der Trend seinen Ende entgegen. Die temperamentvolle Irin schaffte mit markant kehligem Timbre und stellenweise exaltierten Shows den Absprung in die Solokarriere und behauptete sich als stilistisch eigenwillige Sängerin mit dem Hang zu theatralischer Opulenz in Club-Sound-Environs. Auch Róisín Murphy hofft nun darauf, dass diese Besonderheit und persönliche Aura genügen, um die Fanbase zu reaktiveren, und gibt sich am 28. April (20 Uhr) als Ersatzkonzert des ursprünglich im vergangenen Herbst angesetzten Auftritts in der Muffathalle die Ehre.

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Sona Jobareth – Vermittlerin zwischen Pop und Tradition | © Rob O‘ Connor

Und haben es die etablierten Künstler:innen schon schwer, sich in der Vielfalt des reanimierten Kulturbetriebs bemerkbar zu machen, ist es für Newcomer:innen noch eine Runde komplizierter. Denn die üblichen Mechanismen, den Nachwuchs mit CD-Promotion oder Support-Gigs unter die Leute zu bringen, standen über zwei Jahre hinweg nicht zur Verfügung oder konkurrierten außerdem mit zahlreichen anderen Zerstreuungen von Streaming bis Gaming. Sona Jobarteh hat allerdings den Vorteil, dass sie ein ungewöhnliches Instrument spielt, das in der Tradition außerdem bislang männlichen Kollegen vorbehalten war. Die Londonerin hat sich auf die Kora spezialisiert, die afrikanische Spielart der Harfe. Und es ist ihr gelungen, in den Kreisen des Griots akzeptiert zu werden, die üblicherweise streng über die Wahrung des musikalischen und gesamtkulturellen Erbes ihrer Tribes wachen. Jobarteh macht nun am 10. April im Ampere (20 Uhr), dem kleinen Saal im Muffatwerk zu Füßen des derzeit weitgehend in stiller Größe verharrenden Gasteig Station. Alle drei Konzerte sind wunderbar stilbunte Möglichkeiten, den Neustart des Pop mit musikalischer Vielfalt zu feiern. Ein Mittel gegen Isolation, in vieler Hinsicht. ||

SONA JOBARTEH, TINDERSTICKS, RÓISÍN MURPHY
Ampere, Muffathalle, Isarphilharmonie
10., 25., 28. April | je 20 Uhr
Tickets: 089 54818181

Weitere Konzert-Vorberichte gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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