Das Münchner Amerikahaus widmet sich anlässlich des 60. Gründungsjubiläums von Marvel Comics den Superhelden Thor, Spider-Man, Iron-Man und Co.

Marvel Comics im Amerikahaus

Mit menschlichen Schwächen

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Autor Stan Lee (links) neben Captain America Covermotiv von »Captain America #695« (2017) | © Captain America, John Cassaday/MARVEL

Der tut nix! Der überdimensionale, fast drei Meter große grüne Hulk (auf deutsch: Klotz), der momentan das Entrée des Amerikahauses in München bewacht und aussieht, als wollte er jeden, der reinkommt, erwürgen. Dazu brüllt er wie ein Löwe – was man natürlich nicht hört. Denn die Figur ist aus Plastik und auch bloß eine jener legendären Comic-Figuren wie Thor, Spider-Man und Iron-Man, die das Marvel Comics-Universum bevölkern. Das ist 60 Jahre alt geworden und aus bereits in den Dreißiger Jahren gegründeten amerikanischen Comic-Verlagen hervorgegangen.

Das Amerikahaus widmet dem 1961 gegründeten New Yorker Verlag eine umfassende Ausstellung mit mehr als 180 originalen Zeichnungen, mit anschaulichen Figuren, Briefen, Dokumenten, verteilt auf alle drei Ausstellungsgeschosse. So kann man auch die faszinierende Raumgestaltung dieses denkmalgeschützten und ziemlich frisch renovierten Hauses genießen. Lufträume und Galerien mit kreisrunden Ausschnitten erlauben nicht nur Durchblicke, sondern auch den Wechsel zwischen weitläufigen offenen und recht intimen Ausstellungsflächen. Die umfangreiche Schau ist richtig was für den Comic-Fan, der die Macher hinter den fantastischen Figuren entdecken will. Der die Methoden kennenlernen will, wie diese Comic-Welten entstanden sind. Der wissen will, was hinter den Kulissen – hinter denen es dann auch schon menschelte – so vor sich ging. Und den die Historie dieser amerikanischen Comics interessiert.

Etwa der allgemeine Niedergang nach dem Krieg – als die Comicverlage kurz vor dem Ruin standen, sich zu Atlas Comics zusammenschlossen und sich mit dem »Comic Code« eine Art Selbstzensur auferlegten. Die Worte Horror und Terror wurden nicht mehr verwendet. Auf die – freilich nur gezeichnete – Ausführung von Verbrechen, auf Flüche und Andeutungen von Sexualität wurde verzichtet. Die prüden Fifties lassen grüßen: Dem Comic wurde vorgeworfen, unschuldige Jugendliche zum Verbrechen zu verführen. Das führte zu Comic-Verbrennungen. Und auch der Entwicklung des Comic tat’s nicht gut. Atlas produzierte nun bevorzugt belanglose Western-Comics, öde Lovestorys und lustige Teenager-Geschichten. Aber der Redakteur Stanley Lieber, der sich bald nur noch Stan Lee nannte, wollte das nicht mitmachen. Er entwickelte einen Comic, wie er ihn sich wünschte: das war kein Klotz, das waren die Fantastic Four, von denen die schwäbische Hip-Hop-Band sich ihren Namen ausgeborgte. Bald startete er mit Marvel – und entwickelte auch eine spezielle Art von Teamwork. Er überlegte sich grobe Ideen, verfasste kurze Plots. Aus diesen knappen Vorgaben durften die Zeichner eine etwa 20-seitige Comicgeschichte entwerfen und zeichnen. Danach erst verfasste Lee die Dialoge, Sprechblasen wurden eingefügt. Womit der Zeichner im Kreativprozess einen ähnlich wichtigen Part wie der Autor erhielt: Arbeit im Team.

Die Zeichner, die in der Schau prominent mit ihren Kreationen vertreten sind, wurden so zu Mitschöpfern der Figuren des Marvel-Universums. Was der Besucher mit dem entsprechenden Spürsinn in den einzelnen Kapiteln sicher nachvollziehen kann. Dennoch wurde Stan Lee als Mastermind hinter den erfolgreichen Charakteren geführt, was nicht zuletzt seinem charismatischen Auftreten auch in den Medien zu verdanken war. Einige kreative Zeichner-Köpfe fühlten sich bald ungerecht behandelt. Das führte um 1970 zum Bruch zwischen einerseits Steve Ditko und Jack Kirby (den Co-Kreatoren von Silver Surfer, Black Panther, The X-Men, Nick Fury, Captain America und vielen vielen anderen Figuren) sowie Stan Lee andererseits. So, dass sie nie mehr zusammenarbeiteten. Was freilich schade war. Menschliche Schwächen finden sich auch in den Comics selbst. Die Figuren sind zwar häufig Superhelden oder Superschurken, besitzen aber komplexe Charaktere, die in einem durchdachten gemeinsamen Universum agieren. So treffen sich die Helden persönlich, besuchen sich. Hulk und The Thing von den Fantastic Four liefern sich seit 1964 regelmäßig Schlägereien. Die Schauplätze sind real. Die Helden agieren nicht etwa im fiktiven Gotham City oder Metropolis, sondern in New York oder Los Angeles. Und sind so auch nahe am Menschen. ||

60 JAHRE MARVEL COMICS UNIVERSE
Amerikahaus München | Karolinenplatz 3
1. bis 30. September | Mo–Fr 16–20 Uhr, Sa/So
10–18 Uhr, an Feiertagen geschlossen | Eintritt frei
Das Amerikahaus bei YouTube

Mehr zu Ausstellungen in München gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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