Kurz vor Ausbruch der Pandemie, aber auch vor und zwischen den Lockdowns haben die deutschen Regisseure fleißig Filme gedreht. Jetzt warten die Werke darauf,auf ein ausgehungertes Kinopublikum losgelassen zu werden.

Deutsche Filme: Der Traum von der ausverkauften Kinovorstellung

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Milan Peschel (vorne) am Set von »Beckenrand Sheriff«, dem kommenden Film von Marcus H. Rosenmüller. Sein Filmstart ist wie der vieler anderer deutscher Produktionen coronabedingt aufgeschoben. | © Lieblingsfilm/Leonine

Es war nur ein kurzes Aufflackern im Herbst, doch seit dem zweiten Lockdown heißt es für die Kinos wieder: Nichts geht mehr. Die Tore bleiben geschlossen, die Sessel leer, die Leinwände schwarz. Vor allem die großen US-Verleiher haben zügig auf die nicht enden wollende Pandemie reagiert und die Starttermine ihrer Blockbuster um Bond & Co. bis weit in die zweite Jahreshälfte 2021 oder gar auf unbestimmte Zeit verschoben. Denn wo kein Publikum, da ist kein Dollar zu machen. Aber auch die deutschen Filmemacher waren in den vergangenen Monaten produktiv, haben teilweise unter schwierigsten, dem Virus geschuldeten Auflagen und mit ausgeklügelten Hygienekonzepten ihre Werke abgedreht. Inzwischen befinden sie sich in der Postproduktion oder warten gar schon, komplett fertiggestellt, auf den Tag X, an dem die Lichtspielhäuser endlich wieder ihre Pforten öffnen dürfen. Und das nach einheimischen Produktionen dürstende Publikum darf sich fürwahr auf einige cineastische Schmankerl aus deutschen, vor allem aber aus bayerischen Landen freuen.

Zum Beispiel auf »Beckenrand Sheriff«, das neue Opus von Marcus H. Rosenmüller. Der hatte zuletzt mit so unterschiedlichen Arbeiten wie der Heldengeschichte »Trautmann«, dem Kinderfilm »Unheimlich perfekte Freunde« oder der Musikdoku »Dreiviertelblut – Weltraumtouristen« begeistert, allen dreien war aber der große Zuschauererfolg versagt geblieben. Das könnte sich nach der Corona-Krise ändern. Denn »Beckenrand Sheriff« besitzt eine skurrile Story, den berühmtberüchtigten Rosi-Humor und ebenso hochkarätige wie populäre Schauspieler. Milan Peschel gibt in der »Heimat«–Komödie nach preisgekröntem Drehbuch einen mürrischen Bademeister, der verhindern will, dass sein geliebtes Freibad dem Erdboden gleichgemacht wird. Peschels Widersacher bzw. Mitstreiter sind unter anderem Gisela Schneeberger, Sebastian Bezzel und Rick Kavanian. Gedreht hat Rosi seinen bajuwarisch-nostalgischen Schwimmbadspaß übrigens in Pleystein, Weiden, Mühldorf am Inn und Waldkraiburg.

Einer, der die Auswirkungen des zweiten Lockdowns mit voller Wucht zu spüren bekam, war Moritz Bleibtreu. Sein eigenwilliges, mit Spannung erwartetes Regiedebüt »Cortex« lief gerade mal eine Woche, als die Kinos wieder dichtmachen mussten. Wie Rosi hat sich auch Bleibtreu für sein aktuelles Projekt etwas Komödiantisches ausgesucht. Dafür stand der gebürtige Münchner unter der Regie von Laura Lackmann (»Mängelexemplar«) zuletzt als Komiker Bob, der von seiner Frau sitzen gelassen wurde, hinter der Kamera. »Caveman – Der Kinofilm« basiert auf dem gleichnamigen Broadway-Bühnenstück »Krieg der Geschlechter« von Rob Becker und thematisiert auf amüsante Art und Weise die kleinen, aber feinen Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Großes Kino verspricht Detlev Bucks nach der Schwarz-Weiß-Fassung mit Horst Buchholz aus dem Jahre 1957 und Bernhard Sinkels TV-Fünfteiler (1982) nunmehr dritte Adaption von Thomas Manns Roman »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull«. Für die Geschichte des Betrügers Felix, der um des gesellschaftlichen Aufstiegs willen die Identität eines Marquis annimmt und dafür sogar seine große Liebe im Stich lässt, konnte Buck drei der derzeit angesagtesten Jungmimen des Landes engagieren: Jannis Niewöhner (»Narziss und Goldmund«), Liv Lisa Fries (»Babylon Berlin«) und David Kross (»Trautmann«). Die Dreharbeiten der Bavaria Filmproduktion fanden im Sommer letzten Jahres unter anderem auf Schloss Benrath in Düsseldorf statt.

Ebenfalls einen berühmen Literaten hat sich Philipp Stölzl nach seinem Udo JürgensMusical »Ich war noch niemals in New York« als Inspirationsquelle ausgesucht: Stefan Zweig. Stölzl stand für »Schachnovelle« von Anfang Dezember 2019 bis Mitte März 2020 in Berlin und München vor der Kamera, konnte die Dreharbeiten also gerade noch vor Beginn des ersten Lockdowns beenden, der anschließende Schnitt wurde vom Regisseur dann per Fernsteuerung ausgeführt. Erzählt wird die Literaturkundigen wohlbekannte Geschichte des Anwalts Josef Bartok, der im Wien des Jahres 1938 der Gestapo Zugang zu den Konten des Adels verschaffen soll. Er bleibt standhaft, kommt in Isolationshaft und gerät dort per Zufall an ein Schachbuch, das für immer sein Leben verändern wird. Mit seiner exquisit besetzten Adaption – (unter anderem Oliver Masucci (»Er ist wieder da«), Albert Schuch (»Systemsprenger«), und Birgit Minichmayr (»3 Tage in Quiberon«)) – befindet sich Stölzl in bester Gesellschaft, setzte doch Gerd Oswald bereits 1960 diesen Stoff mit einem herausragenden Curd Jürgens in der Hauptrolle um.

Auf einer wahren Geschichte fußt dagegen »Wolke unterm Dach« von Alain Gsponer, der sich durch Filme wie »Das kleine Gespenst« oder »Jugend ohne Gott« einen Namen machen konnte. In der Ende vergangenen Jahres in Bayern und Thüringen realisierten Tragikomödie muss Frederick Lau (der Sebastian Schippers Realzeit-Thriller »Victoria« seinen unnachahmlichen Stempel aufdrücken konnte) als alleinerziehender Vater der achtjährigen Lilly mit dem plötzlichen Tod seiner Frau (Hannah Herzsprung) fertig werden. Während er leidet, verarbeitet die Tochter den Verlust der Mutter auf recht eigenwillige Art. Sie behauptet nämlich, diese wohne in der titelgebenden »Wolke unterm Dach«.

Ganz ähnlich klingt »Oskars Kleid«, der, im Sommer 2020 in München und Umgebung nach einer Idee und einem Drehbuch von Florian David Fitz entstand. Dieser mimt einen geschiedenen Vater, der per Zufall mitbekommt, dass er Vater des neunjährigen Oscar ist, der jedoch in Wirklichkeit ein Mädchen ist. Neben Fitz konnte Regisseur Hüseyin Tabak, 2017 für »Die Legende vom hässlichen König« mit dem Filmpreis der Stadt Hof ausgezeichnet, unter anderem die Grande Dame des deutschen Films, Senta Berger, gewinnen. Letztere hätte sicherlich auch als Nscho-tschi in den frühen Karl-May-Filmen eine gute Figur gemacht.

Doch die Rolle von Winnetous Schwester bleibt Lola Linnea Padotzke vorbehalten. Sie gehört zur Besetzung von »Der junge Häuptling Winnetou«, mit dem sich Kinderfilmemacher Mike Marzuk (»Fünf Freunde 1–5«) an einer Art Prequel versucht, in dem der zwölfjährige Häuptlingssohn der Apachen unter Beweis stellen soll, dass aus ihm mal ein großer Krieger werden kann. Ob Marzuk mit seiner jugendlichen Winnetou-Variante an die großen Meisterwerke von Harald Reinl mit Lex Barker und Pierre Brice anknüpfen kann bleibt abzuwarten. Zumindest lässt er die Alten in jene Zeiten zurückblicken, als das Kino Hochkonjunktur hatte und man allenfalls deshalb vor verschlossenen Türen stand, weil die Vorstellung bis auf den letzten Platz ausverkauft war. ||

BECKENRAND SHERIFF
Regie: Marcus H. Rosenmüller | Kinostart: noch offen

BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL
Regie: Detlev Buck | Kinostart: 2. Sept.

CAVEMAN – DER KINOFILM
Regie: Laura Lackmann | Kinostart: 23. Dez.

DER JUNGE HÄUPTLING WINNETOU
Regie: Mike Marzuk | Kinostart: 14. Okt.

OSKARS KLEID
Regie: Hüseyin Tabak | Kinostart: 23. Sept.

SCHACHNOVELLE
Regie: Philipp Stölzl | Kinostart: 7. Okt.

WOLKE UNTERM DACH
Regie: Alain Gsponer | Kinostart: 21. Okt

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