Tom Hanks spielt im Biopic »Der wunderbare Mr. Rogers« den beliebten Moderator des amerikanischen Fernsehens

»Der wunderbare Mr. Rogers«: Nachbar im Geiste

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Es gibt Helden aus der Kindheit, die begleiten einen das ganze Leben lang. Was Peter Lustig oder Armin Maiwald hierzulande für Generationen waren, verkörpert in den USA niemand besser als Fred Rogers. Über 40 Jahre hinweg war »Mister Rogers’ Neighborhood« eine Konstante im amerikanischen Fernsehen und nicht zuletzt in den Herzen seines Publikums. Er sorgte sowohl mit Handpuppen wie Daniel, dem Streifentiger, und König Freitag XIII. für kurzweilige Unterhaltung, erklärte aber auch ernste Themen wie Scheidung und Tod kindgerecht, immer auf Augenhöhe mit seinem jungen Publikum.

Die amerikanische Filmemacherin Marielle Heller hat nun einen Spielfilm über diesen Mann gedreht, dessen Dauerliebenswürdigkeit heute beinahe wie aus einer anderen Welt wirkt. In einem zeitgenössischen Film würde man in diesem sanften Herren wohl einen Psychopathen vermuten und auch der von Sarkasmus zerfressene Journalist Lloyd Vogel glaubt nicht recht an den Mythos, der Fred Rogers umweht. Ausgerechnet er soll nun Rogers für das »Esquire«-Magazin porträtieren, Thema, wie sollte es anders sein: Helden. Ruhm, so sagt Rogers einmal, sei ein »four letter word«, also ein Schimpfwort und die würde er niemals in den Mund nehmen. Diese naive Sanftheit und unerschütterliche Höflichkeit können nicht echt sein, glaubt Vogel. Er will an die Person hinter dieser Fassade aus Freundlichkeit kommen, provoziert ihn, reagiert entnervt auf Rogers’ ernst gemeintes Interesse an seiner Person.

Doch an dem scheinen all diese indirekten Beleidigungen einfach abzuperlen, und Rogers kehrt das Spiel einfach um: »Wissen Sie, was für mich momentan das Wichtigste auf der ganzen Welt ist?«, fragt er Vogel bei ihrem ersten Telefonat. »Mit Lloyd Vogel zu telefonieren.« Am Ende gibt Lloyd sehr viel mehr von sich selbst preis und bekommt die wohltuende Breitseite dieser Philosophie zu spüren, denn genau das ist Rogers’ Liebenswürdigkeit: keine Pose, sondern eine Weltanschauung.

Dass dieser Film nicht vor Kitsch trieft, sondern sich wie eine gemütliche Decke um die Schultern legt, ist einerseits liebenswerten Details geschuldet, etwa den gebastelten Miniaturansichten von New York und Pennsylvania, die Vogels Interviewreisen verorten und zugleich seine Reise in Mister Rogers’ Welt der Kindersendung visuell anpasst. Das liegt aber vor allem daran, dass Marielle Heller für die Rolle des Mister Rogers die perfekte Besetzung gefunden hat: Tom Hanks, selbst eine solche Institution in Sachen Freundlichkeit, Anstand und Lebenslust, dass eigentlich nur er für diese Rolle in Frage kommt. Wer daran auch nur ein kleines bisschen zweifelt, möge sich Youtube-Videos anschauen, in denen er Tweets über gute Taten kommentiert oder auf Interviewfragen von Kindern reagiert. Und wer dann noch nicht genug hat, kann sich an seinem Instagram-Account erfreuen, auf dem er verloren gegangene Handschuhe porträtiert und mit Schreibmaschine getippte Lebensweisheiten postet. Dass Hanks seinem Vorbild nicht besonders ähnlich sieht, ist dabei nebensächlich, denn die beiden verbindet etwas viel Tiefgreifenderes: Sie sind Nachbarn im Geiste, tief verankert im kollektiven Gedächtnis und Gewissen Amerikas, und dass hier auch noch Liebenswürdigkeit schlummert, das hat in allen Belangen etwas sehr Heilsames. ||

DER WUNDERBARE MR. ROGERS (OT: A BEAUTIFUL DAY IN THE NEIGHBORHOOD)
USA 2020 | Drehbuch: Noah Harpster, Micah Fitzerman-Blue
Regie: Marielle Heller | Mit: Tom Hanks, Matthew Rhys, Chris Cooper | Digital sowie auf DVD und Blu-Ray erhältlich

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